In der Online-Sprechstunde beantworten Neurologen medizinische Fragen rund um Parkinson. Diese Fragen beziehen sich auf Diagnostik, Medikation und Therapie. Nachfolgend sind die Antworten thematisch aufgeführt.
Meine Frau, 76, leidet am atypischen Parkinson. Sie zittert nicht. Ihr ist dauernd schwindlig. Sie hat Mühe beim Gehen und Treppensteigen. Und sie ist sehr lichtempfindlich. Das Haus verlässt sie nur noch in Begleitung. Hätten Sie einen hilfreichen Rat?
Beim atypischen Parkinson kann die Parkinsonmedikation zu Krankheitsbeginn hilfreich sein und die Bewegungsverlangsamung (Bradykinese) und Steifheit (Rigor) verbessern, kaum aber die Gangunsicherheit und das Gleichgewicht. Diese Wirksamkeit verliert sich aber mit dem Fortschreiten der Krankheit. Die Therapie eines atypischen Parkinsonsyndroms bleibt daher eine Herausforderung; und wie beim Parkinson besteht noch keine Heilung. Hilfreich sind rehabilitative Behandlungen.
Die Physiotherapie, insbesondere Gangschulung und Gleichgewichtsübungen, ist wirksam. Sie kann die Mobilität verbessern und einen Grad von Selbstständigkeit zurückgeben. Das gilt auch für eine regelmässige sportliche Aktivität im Rahmen der Interessen und Möglichkeiten, z. B. bei Sturzneigung im Schwimmbad. Körperliche Aktivität wirkt sich ebenfalls positiv auf die geistigen Funktionen aus. Bei Gangblockierungen (Freezing) können gezielte Übungen und das Erlernen von Strategien helfen, diese zu überwinden (siehe Kasten). Dazu kommen Gehhilfen wie ein Rollator. Zur Vermeidung von Verletzungen bei Stürzen sind gepolsterte «Schutzhosen» erhältlich.
Schwindel kann verschiedene Ursachen haben. Falls das Schwindelgefühl vor allem beim Aufstehen auftritt und von einem tiefen Blutdruck herrührt, hilft genügendes Trinken und salzreichere Kost sowie das Tragen von Stützstrümpfen. Reicht dies nicht, kann eine medikamentöse Therapie zur Blutdruckunterstützung mit dem Arzt diskutiert werden. Bei Lichtempfindlichkeit stellt sich die Frage der Ursache. Bei Verdacht soll eine Augenerkrankung fachärztlich abgeklärt werden. Pragmatisch kann eine Sonnenbrille helfen. Es bestehen weitere Therapiemöglichkeiten, die auf die jeweiligen Symptome zielen. Da kann Sie Ihr Arzt weiter beraten.
PD Dr. med. David Benninger, Juli 2018
Mein Bruder (60) leidet seit ein paar Jahren an einer atypischen Form von Parkinson. Er kann noch gehen. Wir versuchen alles, um ihm zu helfen und den Verlauf der Krankheit aufzuhalten. Besteht eine Chance, dass die Stammzellentherapie bei atypischer Parkinsonerkrankung Erfolg hat, vor allem, was die Motorik betrifft?
Leider gibt es in der Forschungsliteratur keine klaren Belege für die Behandlung atypischer Formen von Parkinson mit Stammzellentherapie. Entsprechende Veröffentlichungen über den Wirkungsgrad der Behandlung beruhen lediglich auf subjektiven und einzelnen Beobachtungen, die keine abschliessende Beurteilung zulassen.
Dr. med. Claudio Städler, Juni 2018
Mein Vater (68) war beim Neurologen, weil er öfter gestürzt ist. Der Arzt sagt, er leide an einem «atypischen Parkinsonsyndrom mit Shy-Drager-Symptomatik». Was ist das, und wie unterscheidet es sich vom «normalen» Parkinson?
Stürze im Alter sind häufig und haben viele Ursachen (Störungen von Herz, Kreislauf, Gleichgewichtsorgan [Innenohr], Rückenmark, periphere Nerven und diverse Hirnkrankheiten, z. B. Durchblutungsstörungen). Stürze gehören zum Parkinsonsyndrom im weitesten Sinn.
Unterscheiden wird zwischen drei Arten von Parkinsonsyndromen:
Letzteres umfasst diverse Krankheitsbilder, bei denen allen die dopaminergen Neuronen betroffen sind, weshalb eine «Parkinson-ähnliche» Symptomatik besteht. Aber es kommen weitere Beschwerden hinzu. Etwa starke Blutdruckschwankungen mit markantem Blutdruckabfall im Stehen, was zu Stürzen führen kann. Diese und weitere Störungen der Funktion des vegetativen Nervensystems kennzeichnen das Shy-Drager-Syndrom (auch MSA, Multiple System Atrophie) genannt.
Die Natur der Stürze zu klären, ist oft aufwendig und schwierig, aber wichtig, wenn es um die Therapie respektive Prävention geht. Liegt tatsächlich ein atypisches Parkinsonsyndrom vor, ist dessen Therapie meist viel schwieriger und weniger erfolgreich als beim «normalen» idiopathischen Parkinsonsyndrom. Auch die Prognose ist schlechter.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Mein Bruder (68) erhielt kürzlich die Diagnose «MSA-C» und sein Arzt sagte ihm, diese Krankheit sei leider nicht heilbar. Stimmt das? Was genau ist MSA-C? Was können wir tun? Welche Medikamente helfen?
Die Abkürzung «MSA» steht für Multi-System-Atrophie (auf das «C» in «MSA-C» werde ich später zurückkommen). Dies bedeutet, dass mehrere Funktionssysteme im Gehirn betroffen sind, was zu einer grossen Anzahl von Störungen führen kann. Letztere können in drei Symptomkomplexe zusammengefasst werden. Der erste ist ein sogenanntes «atypisches» Parkinsonsyndrom. Im Gegensatz zum «typischen» Parkinsonsyndrom (auch: idiopathisches Parkinsonsyndrom IPS) sprechen die Einschränkungen der Bewegungen (Akinese) und die Muskelsteife (Rigor) nur sehr unbefriedigend auf die üblichen Parkinsonmedikamente an. Zudem treten Stürze schon früh im Verlauf auf und das Fortschreiten der Symptomatik ist in der Regel viel schneller.
Der zweite Symptomkomplex umfasst Störungen des autonomen Nervensystems, die wir nicht oder nur teilweise durch unseren Willen beeinflussen können. Aus der Vielzahl möglicher Symptome seien hier nur Störungen der Blutdruckregulation und des Wasserlösens erwähnt. Normalerweise sinkt der Blutdruck vom Aufstehen aus dem Liegen oder aus dem Sitzen nur wenig ab. Bei diesen Patienten ist diese Regulation gestört, sodass es zu einem starken Blutdruckabfall kommen kann, was zu Schwindel und – im Extremfall – zum Bewusstseinsverlust führen kann. Bei der medikamentösen Behandlung dieser fehlenden Regulation besteht die Gefahr, dass es im Liegen zu einem erhöhten Blutdruck kommt. Normalerweise kann das Wasserlösen bei Harndrang während einiger Zeit zurückgehalten werden. Den Patienten fällt dies immer schwerer und mit der Zeit kommt es zur Urininkontinenz. Diese und andere autonome Störungen können zwar auch beim idiopathischen Parkinsonsyndrom auftreten. Sie stellen hier aber meist Spätsymptome dar, während sie bei der MSA schon früh, gelegentlich als erstes Krankheitszeichen, auftreten.
Als dritter Symptomkomplex sind noch Störungen der Bewegungskoordination und des Gleichgewichts zu nennen, die vorwiegend durch einen Befall des Kleinhirns bedingt sind. Beim einzelnen Patienten können die drei Symptomkomplexe in sehr unterschiedlicher Ausprägung und Reihenfolge auftreten. In Europa steht dabei die atypische Parkinsonsymptomatik meist im Vordergrund. Man spricht in diesen Fällen von einer «MSA-P». Bei der viel selteneren MSA-C dagegen sind Kleinhirnsymptome vorherrschend (lat. Cerebellum = Kleinhirn). Das Vollbild der Krankheit ist für den Erfahrenen zuverlässig zu erkennen. In früheren Stadien dagegen ist nicht selten eine Beobachtung von mehreren Monaten nötig, um die Diagnose zu stellen.
Leider sind unsere Therapiemöglichkeiten für die betroffenen Patienten sehr beschränkt. Die Aussage, dass die Krankheit nicht heilbar sei, trifft leider zu. Je nach Ausprägung der verschiedenen Symptome muss man versuchen, diese möglichst gut zu beeinflussen.
Prof. Dr. med. Hans-Peter Ludin (Archiv Parkinson Schweiz)
Ich habe vor Kurzem die Diagnose Parkinson erhalten. Nun frage ich mich, ob man mit regelmässiger Bewegung und Training die Medikation hinauszögern kann. Soll ich allenfalls sogar mit Medikamenten zuwarten, damit ich später mehr Möglichkeiten habe resp. die Dosierung erhöhen könnte?
Regelmässige sportliche Aktivität wirkt sich positiv auf den Krankheitsverlauf aus. Sport verzögert die Verschlechterung des Ganges und des Gleichgewichts, der kognitiven Fähigkeiten, und verlängert die Selbstständigkeit im Alltag. Möglicherweise wird auch der Krankheitsbeginn verzögert und sogar das Risiko von Parkinson reduziert. Neuere Erkenntnisse suggerieren auf eine neuroprotektive Wirkung von Sport. Regelmässiges Training, ob aerob, Widerstands-, Gleichgewichts- oder Gehtraining verbessert ebenfalls die Parkinson-Symptome und könnte damit den Behandlungsbedarf hinauszögern.
Nach heutigem Wissenstand beeinflusst der Zeitpunkt des Behandlungsbeginns aber nicht den Krankheitsverlauf und die langfristigen Therapiemöglichkeiten. Daher können Sie sich primär nach Ihrem Bedarf orientieren. Bei (zu langem) Zuwarten entgeht Ihnen allenfalls der Therapienutzen einer optimalen Beweglichkeit, was auch die sportliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität beeinträchtigen kann.
PD Dr. David Benninger, Juli 2024
Ich bin mein Leben lang gerne und oft geschwommen. Da Bewegung hilft, die Parkinsonsymptome zu lindern, möchte ich weiterhin regelmässig schwimmen gehen. Ist dies riskant oder gefährlich für mich? Was sollte ich dabei beachten?
Als regelmässiger Schwimmer bringen Sie mit Erfahrung und vor allem Freude und Motivation bereits gute Voraussetzungen für einen guten Trainingsrhythmus mit. Schwimmen trainiert Kraft und Ausdauer, schont dank Auftrieb im Wasser die Gelenke, und hat ohne Sturzgefahr ein geringes Verletzungsrisiko. Schwimmen erfordert aber koordinierte Bewegungen der Arme und Beine, die zusammen mit der Zunahme der Parkinson-Symptomatik beeinträchtigt werden. In einer Umfrage gaben die meisten Parkinson-Betroffenen bereits früh Schwierigkeiten mit Schwimmen an. Gründe waren eine Abnahme der Beweglichkeit, Kraft und Koordinationsfähigkeit, die viele bewogen, mit dem Schwimmen aufzuhören auch aus Angst vor Ertrinken, wovon sogar die Hälfte berichten.
Daher beraten Sie sich mit Ihrer/m Arzt/in und bitten allenfalls eine/n Schwimmlehrer/in um eine Beurteilung, bevor Sie ins tiefe oder fliessende Wasser steigen. Schwimmen Sie nur bei Wohlbefinden und optimaler Beweglichkeit in Begleitung oder Aufsicht, die Rettung bieten kann. Besondere Vorsicht gilt nach Tiefen Hirnstimulation, die das Schwimmen beeinträchtigen kann.
PD Dr. David Benninger, Juli 2024
Kann durch intensive Physiotherapie, durch Qi-Gong oder sonstigen Sport der Einsatz von Medikamenten wie Madopar® vermieden werden?
Die Physiotherapie sowie die Bewegung im Allgemeinen kann sich günstig auf motorische und nicht-motorischer Symptome der Parkinsonkrankheit auswirken. Das Ziel körperlicher Übungen ist es, eine befriedigende Lebensqualität zu erhalten und diversen Parkinson-bedingten Komplikationen und Problemen motorischer und allgemeiner Art entgegenzuwirken. Der Zweck von körperlichen Übungen ist nicht die Reduktion der Antiparkinson-Medikamente, die dem subjektiven klinischen und neurologischen Zustand des Patienten angepasst sind. Angemessen dosiert, können Madopar sowie andere Antiparkinson-Medikamente die Beweglichkeit für die korrekte Ausführung körperlicher Übungen gewährleisten, was ohne Medikamente durch Krankheitssymptome wie Steifheit oder Bradykinesie erschwert wäre.
Dr. med. Claudio Städler, Juli 2018
Wie bedeutsam ist regelmässige Bewegung für eine Person mit Parkinson? Hat sie einen positiven Effekt auf die Wirkung irgendwelcher Medikamente und hilft sie, die Mobilität zu verbessern?
Regelmässige, tägliche, besser mehrmals tägliche Bewegung (Spaziergänge, Turnen, Heimgymnastik, Treppensteigen, Nordic Walking usw.) gehören zu den wichtigsten Massnahmen der «Langzeittherapie» bei der Parkinsonkrankheit. Sie verbessert die Mobilität, verhindert Gelenk-, Sehnen- und Muskelkontrakturen, verbessert die Blutzirkulation, beugt Thrombosen vor und verbessert die Hautelastizität. Schlussendlich «befreit und beflügelt» Bewegung auch den Geist. Direkten Einfluss auf die Wirkung der Medikamente hat sie wahrscheinlich nicht – was aber deren Bedeutung keineswegs schmälert.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Ich betreue als Pflegende eine Dame, die seit vielen Jahren an Parkinson erkrankt ist. Im Wachzustand ist sie so angespannt, dass sie die Blase nicht entleeren kann und starke Schmerzen bekommt. Was können wir tun?
Parkinson ist vor allem durch den Untergang der für die Produktion des Botenstoffs Dopamin zuständigen Nervenzellen geprägt. Letztere sind auch an der Kontrolle der Blasenfunktion beteiligt. Blasenstörungen sind daher ein häufiges nicht motorisches Symptom bei Parkinson. Rund 50% aller Patienten sind von Blasenentleerungsstörungen, welche die Lebensqualität stark einschränken, betroffen.
Typisch für Parkinson ist eine überaktive Blase verbunden mit dem dranghaften Bedürfnis, die Blase zu entleeren. Dieses Problem kann mit Inkontinenz einhergehen, da die Patienten aufgrund der eingeschränkten Beweglichkeit die Toilette oft nicht rechtzeitig erreichen können. Es gibt aber auch Blasenstörungen, die dazu führen, dass die Blase nicht vollständig entleert werden kann. Die Folge sind Harnverhalt (oft begleitet von Schmerzen) und die Bildung von Restharn mit erhöhtem Risiko für Harnwegsinfektionen. In jedem Fall sollte zuerst ein Urologe konsultiert werden, um eventuelle andere Ursachen für die Blasenstörung (z. B. bösartige Erkrankungen der ableitenden Harnwege) auszuschliessen.
Liegen keine solchen Erkrankungen vor, sollte die dopaminerge Therapie mit L-Dopa oder Dopaminagonisten optimiert werden. Genügt dies nicht (was leider häufig der Fall ist), können im Fall einer überaktiven Blase Medikamente (Anticholinergika) eingesetzt werden, welche die Blase beruhigen und so eine bessere Kontrolle der Blasenentleerung ermöglichen. Diese Medikamente lösen aber nicht selten und besonders bei älteren Menschen Nebenwirkungen wie Verwirrtheitszustände (Delir) aus.
Dr. med. Stefan Hägele-Link (Archiv Parkinson Schweiz)
Mein Partner ist 71 Jahre alt und hat seit zwölf Jahren Parkinson. In letzter Zeit hat sich seine Blasenfunktion verschlechtert. Er muss nachts mehrfach aufstehen, was für uns beide sehr mühsam ist, und für ihn auch gefährlich. Kann man ihm helfen?
Viele Parkinsonpatienten leiden im späteren Krankheitsverlauf an Blasenproblemen.
Dabei ist der häufige nächtliche Harndrang mit kleinen Urinportionen ein oft beschriebenes Problem. Wenn Sie nachts ebenfalls aufstehen müssen, um ihm zu helfen, entwickelt sich schnell eine unerträgliche Belastungssituation, weil Sie um Ihren Schlaf gebracht werden, den Sie nötig haben, um den kommenden Tag zu bewältigen. Das Ziel muss folglich lauten: Ihr Partner kann nachts Wasser lösen, ohne Sie jedes Mal wecken zu müssen.
Hier kommen verschiedene Hilfsmittel infrage. Eine Urinflasche – eventuell mit Rücklaufsicherung, sodass die Flüssigkeit in der Flasche bleibt und nicht im Bett verschüttet wird – oder das Urinalkondom oder die Windelhose. Für die Urinflasche ist es nötig, dass Ihr Partner nachts beweglich genug ist, um diese bedienen zu können.
Das selbstklebende Urinalkondom stülpt man abends über den Penis und verbindet es mit einem Urinauffangbeutel, den man an das Bettgestell hängt. So kann der Patient im Liegen und ohne Anstrengung Urin lösen. Am Morgen wird das Urinalkondom entfernt. Die korrekte und damit erfolgreiche Anwendung sollte von einer Fachperson erklärt und gezeigt werden, damit Sie sich möglichst ohne Zwischenfälle vom grossen Nutzen dieses Hilfsmittels überzeugen können.
Zudem ist der Einsatz von Windeln zu erwähnen. Heutzutage werden hoch saugfähige Materialien verwendet, um «trocken» durch die Nacht zu kommen. Die bewusste Blasenentleerung im Bett liegend zu praktizieren, benötigt unter Umständen ein ganz gezieltes Training dieser ungewohnten Handlung.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, September 2020
Mein Mann ist manchmal so blockiert, dass er nicht alleine essen kann oder dass er fürs Essen sehr viel Zeit benötigt. Müssen wir damit leben?
Einerseits verhindert eine Blockade während des Essens die Fähigkeit, das Besteck selbstständig zu führen. Die Gabel oder der Löffel bleiben auf halbem Weg stehen. Selbstständiges Essen ist in solchen Phasen kaum möglich. Andererseits ist das Kauen und Schlucken erschwert, wenn Wangen-, Zungen- und Rachenmuskulatur steif sind. Häufig kann beobachtet werden, dass die Blockade sich im Laufe der Mahlzeit verstärkt. Anfangs gelingt es noch, das Besteck selber zu führen. Nach einiger Zeit dann nicht mehr. Blockaden gehen mit Phasen schlechter Beweglichkeit einher.
Besprechen Sie mit dem Neurologen eine eventuelle Anpassung der Medikamente. Verschieben Sie die Essenszeiten in Phasen guter Beweglichkeit. Bieten Sie mehrere kleine Mahlzeiten pro Tag an. Manchmal kann eine kurze Unterbrechung der Mahlzeit mit bewusst grossen Übungen der Arm- und Handbewegungen die Muskulatur so weit lösen, dass das Besteck wieder gezielt eingesetzt werden kann. Unterstützung beim Essen kann bedeuten, dass es von Ihnen lediglich einen kleinen Anschub an der Hand Ihres Mannes braucht. Aber auch, dass Sie die Führung des Bestecks für Ihren Mann ganz übernehmen müssen.
Wenn die Mahlzeiten beschwerlich werden, geschieht es oft, dass nicht mehr genügend gegessen wird. Achten Sie daher auf eine allfällige Gewichtsabnahme. Um dieser entgegenzuwirken, könnten Sie die Mahlzeiten für Ihren Mann mit gehaltvollen Zutaten (Rahm, Butter usw.) etwas kalorienreicher zubereiten.
Elisabeth Ostler, Parkinson-Nurse, September 2020
Ich leide seit 13 Jahren an Parkinson und war bisher mit Madopar® (dreimal täglich 200/50) beschwerdefrei und arbeitsfähig. In letzter Zeit ist aber eine Verschlechterung eingetreten: Manchmal kann ich mich nicht bewegen, dann habe ich unwillkürliche Bewegungen und kann nicht still sitzen. Mein Arzt erwägt, mir einen Agonisten zu geben. Ich habe aber Angst vor den Nebenwirkungen. Was würden Sie tun?
Was Sie beschreiben, entspricht den typischen Komplikationen, wie sie leider fast immer nach mehreren Jahren einer medikamentösen Parkinsontherapie zu beobachten sind. Diese Wirkungsschwankungen und Blockierungen können sogar oft viel früher als bei Ihnen auftreten. Sie sind bedingt durch die intermittierende Medikamenteneinnahme und die dadurch ausgelösten wechselnd hohen Blutspiegel.
Es gibt verschiedene Massnahmen, die eine gewisse Linderung bringen können: mehrere Medikamenteneinnahmen pro Tag, aber kleinere Einzeldosen, oder Medikamente mit längerer Wirkdauer, etwa kombiniert mit Levodopa-Abbauhemmern (Stalevo) oder durch kontinuierliche Applikation, beispielsweise durch ein Hautpflaster (Neupro). Man muss diese einzelnen Massnahmen schrittweise ausprobieren, eventuell auch in Kombination.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Wie stellt man Parkinson, die «Zitterkrankheit», fest? Ist dies möglich durch das Blutbild, d. h. durch einen Blutuntersuch?
Morbus Parkinson (MP) wird ausschliesslich anhand der klinischen Symptome diagnostiziert. Die Diagnose der Krankheit, die durch die United Kingdom Parkinson’s Disease Society Brain Bank in drei unterschiedliche Kategorien eingeteilt ist, stützt sich auf einige Einschluss- und Ausschlusskriterien:
(1) Vorhandensein typischer neurologischer Symptome (Bradykinese, einhergehend mit einem Zittern im Ruhezustand sowie Unbeweglichkeit oder posturale Instabilität), die auf ein Parkinson-Syndrom schliessen lassen. (2) Auftreten atypischer neurologischer Symptome und Ausschluss der Parkinsonsymptome als Folgeerscheinungen von z. B. Schädeltraumata oder Einnahme gewisser Medikamente. (3) Auftreten charakteristischer klinischerSymptome mit starkem Verdacht auf MP wie einseitiges Zittern im Ruhezustand, gute Reaktion auf Levodopa sowie das Entwickeln von Dyskinesien. Das konsequente Anwenden dieser Kriterien erlaubt eine Diagnose mit einer Präzision von 85 %.
Fehldiagnosen treten häufig bei Patienten mit einem anderen degenerativen ParkinsonSyndrom auf, wie einer Multisystematrophie (MSA). Um die Qualität der Diagnose zu verbessern, hat die MDS (Movement Disorder Society) vor Kurzem vorgeschlagen, die Kriterien zu überarbeiten und verschiedene Biomarker wie die Analyse des Geruchssinnes aufzunehmen. In den meisten Fällen weichen diese Testergebnisse bei MP-Patienten von der Norm ab.
Eine sichere Diagnose ist erst nach einer detaillierten neuropathologischen Untersuchung nach dem Tod des Patienten möglich, ausser in den seltenen Fällen, in denen die Krankheit genetisch bedingt ist. In diesen Fällen kann dank einer Blutuntersuchung mit genetischer Analyse eine pathogene Mutation mit Sicherheit als Ursache des MP bestimmt werden. Um Ihre Frage gezielt zu beantworten: Mit Ausnahme dieses Sonderfalles ist es im Moment nicht möglich, eine MP-Diagnose anhand einer Blutuntersuchung zu stellen.
Prof. Dr. med. Pierre Burkhard, Juli 2016
Bei meinem Bruder (68) wurde gerade «MSA-C» diagnostiziert, und sein Arzt hat ihm mitgeteilt, dass es sich hierbei um eine unheilbare Krankheit handelt. Stimmt das? Was ist MSA-C? Was können wir tun? Welche Therapien können ihm Linderung verschaffen?
Die Diagnose MSA-C bedeutet Multiple Systematrophie vom zerebellären Typ. MSA-C gehört zu den Krankheiten, die der Parkinsonkrankheit ähneln und dabei besondere Merkmale aufweisen. Bis heute gibt es leider keine heilende Behandlung.
Es gibt hingegen eine Vielzahl von Therapiemöglichkeiten, mit denen die Symptome der Krankheit wie Steifheit oder ein Abfall des Blutdrucks behandelt werden können. Behandlungen auf Levodopa-Basis lindern die Steifheit. Um den Blutdruckabfall zu behandeln, gibt es ebenfalls verschiedene medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien. Darüber hinaus wirken sich Physio-, Ergotherapie oder Logopädie positiv auf den Erhalt der Leistungsfähigkeit aus. Und auch die behutsame körperliche Betätigung zeigt positive Effekte.
Ich möchte Sie daher ermutigen, sich an Neurologinnen oder Neurologen zu wenden, die mit dieser Art von Krankheit vertraut sind und die richtigen Therapiefachleute beiziehen können. So können die Massnahmen ergriffen werden, die bei MSA-C erforderlich sind.
Dr. med. André Zacharia, Juni 2022
Generell gilt: Je früher Parkinson diagnostiziert wird, desto besser sind die Chancen, dass die Symptome optimal behandelt werden können. Warum ist das so? Inwiefern unterscheidet sich die frühzeitige von einer späteren Behandlung?
Insbesondere in den Anfangsstadien der Krankheit können medikamentöse Therapien viele der motorischen und einen Teil der nichtmotorischen Symptome wirksam kontrollieren. Die frühzeitige Behandlung ermöglicht dem Neurologen oder der Neurologin, diesen Effekt optimal auszuschöpfen und eine individuelle medikamentöse Therapie zu verschreiben. Diese kann nicht nur zu einer Verbesserung der medizinischen Werte, sondern auch zu einer Steigerung der Lebensqualität führen. In Bezug auf nichtmedikamentöse Therapien ist belegt, dass ergänzende Aktivitäten wie Tai Chi oder Nordic Walking sowie Ausdauertraining und gezielte Übungen (Geh- und Gleichgewichtstraining, kontrollierter Muskelaufbau) vor allem in den frühen Stadien der Krankheit zur Verbesserung der motorischen und psychischen Funktionen beitragen können. Zudem gibt es Hinweise, dass körperliche Aktivität in der richtigen Intensität die Kommunikation zwischen den Nervenzellen sowie die Durchblutung des Gehirns fördern kann. Um den Teufelskreis «Symptom-Funktionsverlust-Einschränkung-Symptomverschlechterung» zu vermeiden, ist es daher wichtig, die Wirksamkeit der Therapien frühzeitig zu nutzen und so ein aktives und erfülltes Leben zu erhalten.
Dr. med. Daria Dinacci, Oberärztin Clinica Hildebrand Brissago, September 2023
Bei Parkinson ist immer wieder von Ergotherapie die Rede. Was ist das genau und was kann es bei Parkinson leisten?
Ergotherapie will durch gezielt ausgeübte und eintrainierte Aktivitäten eine Verbesserung verschiedener, vor allem motorischer Funktionen und evtl. auch eine Schmerzlinderung erzielen. Diplomierte Ergotherapeutinnen sind Experten für Alltagsaktivitäten. Sie analysieren die Tätigkeiten und den Behinderungsschwerpunkt von Patienten im Alltag, stimmen die Tätigkeiten auf die erhaltenen Funktionen ab und trainieren Handlungsabläufe. Je nach Notwendigkeit unterstützen sie diese Aktivitäten durch Anpassung der Umgebung (Stühle, Tische, Werkzeuge, Bett etc.) und/oder spezifische Hilfsmittel.
Durch Einsatz verschiedener Behandlungskonzepte auf neurophysiologischer, neuropsychologischer und/oder psychosozialer Grundlage und unter Anwendung handwerklicher, gestalterischer sowie spielerischer Techniken werden Patienten aller Altersstufen gefördert. Elementar ist das Üben lebenspraktischer Tätigkeiten. Durch Verbesserung, Wiederherstellung oder Kompensation der beeinträchtigten Fähigkeiten soll dem Patienten eine möglichst grosse Selbstständigkeit und Handlungsfreiheit im Alltag ermöglicht werden (z. B. Wasch-Anziehtraining mit Schlaganfallpatienten oder Förderung der Wahrnehmung bei entwicklungsverzögerten Kindern). Gerade auch bei Parkinsonpatienten kann durch spezifische Übungstherapie die individuell sehr unterschiedlich gelagerte Beeinträchtigung reduziert werden.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Ich habe nachts, besonders in den frühen Morgenstunden, grosse Mühe, mich im Bett zu drehen. Manchmal kann ich auch nicht aufstehen. Gibt es da Abhilfe?
Besprechen Sie sich mit Ihrem Neurologen. Mit einer Optimierung der Medikamente lässt sich Ihre Situation vermutlich deutlich entschärfen. Viele Parkinsonbetroffene klagen darüber, dass die Beweglichkeit im Laufe der Nacht abnimmt. Die stetige Abnahme des Medikamentenspiegels während der Nacht erklärt diese Entwicklung. Abhilfe könnte beispielsweise eine spätabendliche Dosis eines retardierten Medikaments schaffen.
Probieren Sie zudem das Tragen eines seidenen Pyjamas. Seide rutscht viel leichter als Baumwollstoff. Ein doppelschichtiges Tuch aus enorm rutschfreudigem Material – das «Rutschtuch» ist bei Parkinson Schweiz erhältlich – verschafft vielen Betroffenen wieder mehr Beweglichkeit im Bett. Gute Dienste könnte auch eine Ausstiegshilfe in Form einer an der Seitenkante des Betts montierten Stange bieten.
Üben Sie das Drehen im Bett in Phasen guter Beweglichkeit. Ihre Physiotherapeutin kann Sie dazu beratend unterstützen. Parkinson Schweiz bietet einen entsprechenden Kinästhetik-Kurs an: «Leichter mobil im Alltag».
Elisabeth Oster, Parkinson Nurse, August 2020
Trotz meiner gut eingestellten medikamentösen Therapie bereiten mir diverse manuelle Tätigkeiten im Alltag (z.B. Hemd zuknöpfen, Tastatur meines Natels benützen) Mühe. Gibt es spezifische Übungen, um die Feinmotorik zu verbessern?
Die dopaminerge Behandlung ist sicher primär die richtige Therapie. Sie wirkt gezielt auf die primären motorischen Parkinsonsymptome, wie die Bewegungsverlangsamung (Bradykinese), den Rigor (Steifheit) und das Zittern (Tremor). Jedoch ist die medikamentöse Behandlung nicht immer ausreichend, um die bestehenden Störungen der Feinmotorik aufzuheben – sowohl für die weniger betroffene als auch für die mehr betroffene Körperseite.
In der Ergotherapie werden feinmotorische Schwierigkeiten im Alltag gezielt analysiert und behandelt. In der Evaluation wird geprüft, inwieweit die Handkraft und auch die feinen alternierenden, koordinierten Fingerbewegungen vorhanden sind. Anhand dieser Analyse können dann spezifische Feinmotorikübungen instruiert werden, die auch später zu Hause durchgeführt werden können. Das typische Kleinerwerden der Handschrift (Mikrografie) kann mittels visueller Hilfen (vorgegebene, auseinanderlaufende Linien auf einem Blatt Papier) trainiert werden. Zudem können verschiedene Hilfsmittel den Alltag erleichtern.
Dr. phil. Tim Vanbellingen, September 2015
Was bewirkt Grapefruitsaft bei Einnahme von Sifrol® und Madopar®?
Grapefruitsaft hemmt Enzyme (aus dem P450-System), die in Darm und Leber vorkommen und für den Abbau von verschiedenen Medikamenten wichtig sind. Grapefruitsaft kann deshalb Medikamentenkonzentrationen erhöhen – mit dem Risiko von Überdosierungen. Zwar sind Wechselwirkungen von Pramipexol (Sifrol®) und Levodopa/Benserazid (Madopar®) mit dem P450-System nicht beschrieben, trotzdem empfehle ich einen zurückhaltenden Konsum von Grapefruitsaft. Es gibt Parkinsonmedikamente wie z. B. Ropinirol (Markenname Requip®) oder bei Parkinson häufig eingesetzte Antidepressiva, bei denen eine Wechselwirkung mit Grapefruitsaft möglich ist.
Prof. Dr. med. Stephan Bohlhalter, Juli 2019
Ich habe Parkinson. Hat moderater Genuss von Alkohol einen Einfluss auf die Wirksamkeit meiner Medikamente und auf die allgemeine Befindlichkeit?
Alkoholgenuss bewirkt im Allgemeinen kurzfristig und vorübergehend ein Gefühl der Entspannung, eine Aufhellung der Stimmung, eine Reduktion der Hemmungen und eine Erleichterung der sozialen Kontaktaufnahme. Ferner wirkt er bei Essentiellem Tremor symptomreduzierend, nicht jedoch bei der Parkinsonkrankheit. Die Sturzneigung nimmt dosisabhängig und besonders bei motorisch unsicheren Personen deutlich zu. Ausserdem werden die bei Parkinsonpatienten bestehende Beeinträchtigung des Sehvermögens (Abnahme der Kontrastwahrnehmung) sowie die Verlangsamung der Reaktionsgeschwindigkeit verstärkt, was z. B. die Autofahrfähigkeit zusätzlich vermindert, als dies bei Gesunden der Fall ist. Ferner treten schwer voraussagbare Interaktionen mit anderen auf das Gehirn wirkende Substanzen auf, wozu auch alle Anti-Parkinson-Medikamente gehören. Was unter moderatem Genuss von Alkohol verstanden werden darf, ist individuell sehr verschieden und am besten in Rücksprache mit dem Hausarzt zu klären.
Zu beachten ist, dass die Dopaminagonisten und die COMT-Hemmer (z. B. in Stalevo) den Lebermetabolismus verändern und dass Alkoholeinnahme neben einer Belastung der Abbaumechanismen in der Leber via Enzyminduktion darüber hinaus den Leberstoffwechsel langfristig verändert. Zusätzlich bewirkt Alkoholentzug resp. das Nachlassen seiner Wirkung zumindest theoretisch eine Verstärkung der Funktionsstörung der Basalganglien, die bei der Parkinsonkrankheit die meisten Symptome verursachen. Auch nimmt die Neigung zu Blutdruckabfällen in aufrechter Körperposition (ein häufiges Problem von Parkinsonpatienten) zu.
Prof. Dr. med. Peter Fuhr, März 2021
Gibt es einen Essensplan für Parkinsonbetroffene?
Aus der Kürze der Formulierung erschliesst sich mir Ihr Anliegen nicht ganz. Ich gehe davon aus, dass es Ihnen um die Medikamente und die möglicherweise entstehende Konkurrenz von Nahrungseiweissen mit der Medikamentenwirkung geht. Betroffen sind die Levodopa-Präparate wie beispielsweise Madopar® oder Sinemet®. Ob und welche Nahrungsmittel störend wirken, muss im individuellen Fall durch «Ausprobieren» in Erfahrung gebracht werden. Für die Mahlzeiten wäre es sinnvoll, die gleichen Zeiten zu wählen, wie das soziale Umfeld.
Um hier einen Plan zu erstellen sollte Folgendes berücksichtigt werden:
Diese Massnahmen helfen in der Regel, zu vermeiden, dass die Wirkung der Medikamente abgeschwächt wird. Letztlich ist es Ihr Neurologe, der die Dosis und auch den günstigsten Zeitpunkt der Einnahme mit Ihnen zusammen bestimmen sollte.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, September 2017
Ich habe von der Entdeckung der guten Wirkung von D-Laktat auf Parkinson gelesen. Ist das wirklich ein Hoffnungsschimmer? Wo kann ich bulgarisches Joghurt kaufen? Und: Sind auch griechische möglich?
Forscher vom Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden haben 2014 publiziert, dass die Funktionsfähigkeit von geschädigten Nervenzellen der «Substantia nigra» durch D-Laktat (und Glykolat) wiederhergestellt werden kann. Hierfür wurden in Zellkulturen Nervenzellen untersucht, die von Parkinsonbetroffenen mit einem spezifischen Gen-Defekt (DJ-1) stammen beziehungsweise mit dem Pflanzengift Paraquat (in der Schweiz seit 1989 nicht mehr zugelassen) behandelt wurden. Seitdem scheinen keine weiteren Daten zu diesem Thema publiziert worden zu sein.
Die Laborbefunde sind interessant, weil sogenannt linksdrehendes D-Laktat in Milchprodukten wie Joghurt vorkommt und der Wirkmechanismus bei der Ursache von Parkinson ansetzt. Gemäss Zeitungsberichten sind in Dresden klinische Studien geplant, die prüfen sollen, ob D-Laktat zu einer Linderung von Parkinsonsymptomen bzw. zu einer Verlangsamung der Parkinsonkrankheit führt. Auf die Ergebnisse dürfen wir gespannt sein.
Tatsächlich ist bulgarisches Joghurt (Lactobacillus bulgaricus) besonders reichhaltig an D-Laktat. Trotzdem dürfte die Menge (1-2 Portionen pro Tag) kaum ausreichen, um einen Effekt auf die bei Parkinson geschädigten Nervenzellen zu erreichen. Generell müssen die Joghurts zudem spezifisch linksdrehendes Laktat (D-Laktat) enthalten, das die Bluthirnschranke überwinden kann. In der Regel gibt es in kommerziell erhältlichen Joghurts allerdings nur rechtsdrehendes Laktat.
Prof. Dr. med. Stephan Bohlhalter, März 2018
Kann eine hoch dosierte Vitamin-D-Einnahme Parkinsonmedikamente ersetzen oder positiv beeinflussen?
Vitamin D kann nicht das fehlende Dopamin der Nervenzellen ersetzen und somit auch nicht die herkömmlichen Parkinsonmedikamente. Doch Vitamin D spielt eine wichtige Rolle für die Knochengesundheit, da es die Kalziumaufnahme und die Knochenmineralisierung fördert, was die Knochen stark und gesund hält. Es blockiert auch die Freisetzung des Nebenschilddrüsenhormons (Parathormon), eines Hormons, das die Resorption von Knochengewebe und Ausdünnung des Knochens fördert.
Vitamin-D-Mangel und eine niedrige Knochendichte werden häufig bei Parkinsonbetroffenen beobachtet und stehen in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Frakturen und Stürze. Daher schlagen einige Experten vor, dass Parkinsonbetroffene täglich Kalzium und ein Vitamin-D-Ergänzungsmittel einnehmen sollten, insbesondere solche, die bettlägerig oder deutlich in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt sind. Der Grund dafür ist, dass der grösste Teil unseres Vitamins D durch Sonnenbestrahlung der Haut gebildet wird. Der Gehalt an Kalzium und Vitamin D sollte daher frühzeitig durch den Hausarzt bewertet werden. Er entscheidet dann, ob Sie Kalzium oder Vitamin-DZusatzpräparate einnehmen müssen.
Dr. med. Ines Debove, Dezember 2019
Meine Frau (72) leidet seit fast vier Jahren an Parkinson. Leider gehört sie zu jenen Betroffenen, bei denen auch eine demenzielle Entwicklung zu beobachten ist. Diese nimmt seit etwa drei Monaten stark zu (Halluzinationen, Verwirrtheit, Verlust des Zeitgefühls, Desorientierung etc.). Was tun?
Die von Ihnen beschriebenen Störungen können durchaus auf das Vorliegen einer Demenz hinweisen. Die rasche Progredienz der Symptome einerseits und der Umstand, dass es auch Momente gibt, in denen Ihre Frau ganz klar ist, lässt allerdings auch die Möglichkeit offen, dass diese Veränderungen medikamentös mitbedingt sein könnten. Denn wir wissen, dass die in der Parkinsontherapie eingesetzten dopaminergen Substanzen in einzelnen Fällen Verwirrtheit und Halluzinationen hervorrufen können. Der Arzt steht dann vor einem Dilemma, weil sich durch Reduktion der Medikation die Parkinsonsymptome verstärken können.
Manchmal kann der Einsatz antipsychotisch wirkender Medikamente (atypische Neuroleptika, z B. Leponex) die Halluzinationen mindern, ohne dass die Parkinsonmedikamente deswegen verringert werden müssten. Auch könnte die Verabreichung von Rivastigmin (Exelon) diskutiert werden. Diesem wird nachgesagt, es könne die demenzielle Entwicklung etwas bremsen, ohne sie allerdings aufzuhalten. Diese medikamentösen Anpassungen müssen von einem punkto Parkinson erfahrenen Neurologen vorgenommen werden.
Dr. med. Claude Vaney (Archiv Parkinson Schweiz)
Welche Zusammenhänge gibt es zwischen Parkinson und Demenz? Einerseits hört man immer, es gäbe keine «Parkinson-Demenz». Andererseits liest man, eine Demenz könne als Folgeerkrankung von Parkinson entstehen – teilweise auch als Folge der Medikamente. Was stimmt denn nun wirklich?
Die Parkinsonerkrankung kann, muss aber nicht zum Nachlassen der geistigen (kognitiven) Leistungsfähigkeit führen. Nur ein Teil der Parkinsonbetroffenen entwickelt im späten Verlauf der Erkrankung eine sogenannte Parkinson-Demenz, wobei die Häufigkeit in der Literatur sehr unterschiedlich angegeben wird. Oft sind aber nur einzelne Fähigkeiten betroffen wie beispielsweise die Wortflüssigkeit oder die Fähigkeit, Reize auszublenden und Aufgaben fokussiert auszuführen. Die modernen Parkinsonmedikamente stehen nicht im Verdacht, eine Demenz zu verursachen.
Prof. Dr. med. Christian Baumann, September 2021
Ich nehme Madopar®. Kürzlich hat mir ein Arzt wegen der Verschleimung der Stimmbänder zusätzlich Akineton® verschrieben, was mir beim Sprechen tatsächlich hilft. Ein anderer Arzt rät aber zur sofortigen Absetzung von Akineton®, da es Demenz fördere. Stimmt das?
Akineton® (Biperiden) ist ein sogenanntes Anticholinergikum, das vor allem gegen das Zittern (Tremor) bei der Parkinsonerkrankung eingesetzt wird. Gedächtnisstörungen bzw. Konzentrationsstörungen können als Nebenwirkung mit der Einnahme dieses Medikaments gelegentlich auftreten, bilden sich nach Absetzen jedoch wieder zurück. Daher können Sie das Medikament, insofern Sie es gut vertragen, weiter einnehmen. Sollte es zum Auftreten von Gedächtnisstörungen bzw. Konzentrationsstörungen kommen, ist eine Verlaufskontrolle bei Ihrem Neurologen empfehlenswert, der gemeinsam mit Ihnen einschätzen kann, ob das Medikament abgesetzt werden sollte.
Dr. med. Ines Debove, Dezember 2019
Können Medikamente ihre Wirkung verändern, wenn sie für die Medibox aus der Packung genommen, halbiert und erst eine Woche später eingenommen werden?
Und sollte man dabei Handschuhe tragen?
Für verschiedene Medikamente gelten zum Teil sehr unterschiedliche Anforderungen an die Aufbewahrung und Anwendung. Viele Medikamente können auch nicht einfach geteilt werden. Levodopa-Tabletten (z. B. Madopar ) können in der Regel geteilt werden.
Dabei sind grundsätzlich keine besonderen Schutzmassnahmen erforderlich. Auch die Aufbewahrung in einer Abgabe-Box über einen Zeitraum von einer Woche ist üblich. Gegen das Teilen spricht im Allgemeinen, dass es zu einer etwas unregelmässigen Verteilung des Inhaltsstoffes auf die Bruchstücke kommen kann. Durch das Aufbrechen kann besonders die zeitliche Abgabe des Wirkstoffs beeinflusst werden. Dennoch ist die Verordnung einer TeilDosis bei vielen Betroffenen unumgänglich. Besondere Aufmerksamkeit ist beim Auflösen von schnell wirksamem Levodopa (z. B. Madopar Liq) geboten: In der aufgelösten Brausetablette sollte das Levodopa nicht länger als 15 Minuten dem (Sonnen-)Licht ausgesetzt werden. Sonst kann es seine Wirkung verlieren. Es muss also schnell nach dem Auflösen eingenommen werden. Aufgrund der grossen Anzahl unterschiedlicher Wirkstoffe empfehle ich bei Unsicherheit jedoch Rücksprache mit der Apotheke. So lässt sich klären, wie Medikamente aufzubewahren sind und ob sie geteilt werden können.
Dr. med. Tobias Piroth, März 2023
Ich habe eine Frage zum Forschungsartikel «Prävalenz der Parkinsonkrankheit» (Magazin 132, S. 13). Welche Medikamente verursachen laut Studie 43,4 % der nicht-degenerativen Parkinsonsyndrome?
Eine Reihe von Medikamentengruppen sind verantwortlich für die Entwicklung von Parkinsonsymptomen. Am häufigsten und stärksten werden Parkinsonsymptome durch sogenannte Neuroleptika ausgelöst. Neuroleptika werden gegen Wahnideen und Halluzinationen bei psychiatrischen Erkrankungen wie der Schizophrenie eingesetzt. Aber auch ältere Menschen in Pflegeheimen erhalten zur Beruhigung häufig Neuroleptika. Neuroleptika sind auch in manchen angstlösenden Medikamenten enthalten (z. B. Deanxit®). Mit Ausnahme der beiden Wirkstoffe Clozapin und Quetiapin müssen Neuroleptika bei Parkinson vermieden werden. Neuroleptika können die Parkinsonsymptome über Wochen verschlechtern, bis die blockierten Dopaminrezeptoren im Gehirn wieder regeneriert sind.
Eine weitere Medikamentengruppe, die Parkinsonsymptome auslösen kann, sind Schwindelmedikamente. An diese Nebenwirkung muss zudem bei Medikamenten gegen Übelkeit (z. B. Metoclopramid) und Epilepsie (z. B. Valproat) gedacht werden.
Prof. Dr. med. Stephan Bohlhalter, Juli 2019
Ich leide seit über zehn Jahren an Parkinson und war bisher mit Madopar® (dreimal täglich 200/50 mg) beschwerdefrei und arbeitsfähig. In letzter Zeit ist aber eine Verschlechterung eingetreten: Manchmal kann ich mich nicht bewegen, dann habe ich unwillkürliche Bewegungen und kann nicht still sitzen. Mein Arzt erwägt, mir einen Agonisten zu geben. Ich habe aber Angst vor den Nebenwirkungen.
Im Verlauf der Parkinsonerkrankung nimmt in den Nervenzellen (Neuronen) die Kapazität zur Speicherung des Botenstoffes Dopamin ab. Dies führt dazu, dass nach Einnahme von Madopar® zwar Dopamin hergestellt, dieses aber häufig nicht wie erforderlich freigesetzt wird. Eine zu intensive Freisetzung kann zu Überbeweglichkeiten (Hyperkinesen) führen, eine verminderte Speicherkapazität zu Blockaden (sogenannte Fluktuationen). In dieser Situation stehen zwei Optionen im Vordergrund: Erstens wird die Anzahl der Madopar®-Einnahmen erhöht und die Einzeldosis eventuell leicht reduziert. Oder zweitens, die Medikation wird mit einem lange wirksamen Agonisten (der die Wirkung von Madopar® imitiert) ergänzt. Auch dabei muss überprüft werden, ob die Madopar®-Dosis reduziert werden kann.
Prof. Dr. med. Ulrich Roelcke, März 2022
Können bei der Einnahme von Medikamenten (z.B. Xadago®, Madopar®, Requip®), vor allem in den Fingern, Durchblutungsstörungen entstehen?
Durchblutungsstörungen, insbesondere in den Fingern, können in seltenen Fällen bei der Einnahme von Parkinsonmedikamenten auftreten. Einige Medikamente können aufgrund ihrer Wirkung im peripheren Nervensystem eine Verengung der Blutgefässe verursachen und dadurch die Durchblutung in den peripheren Gefässen beeinflussen. Durch eine Verringerung des Blutflusses in den Fingern kann dies zu vorübergehenden Verfärbungen der Finger (blau oder violett) und selten zu Missempfindungen wie Kribbeln führen.
Wenn Sie solche Symptome während der Einnahme von Parkinsonmedikamenten bemerken, sollten Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin kontaktieren. Es kann sein, dass die Dosis verändert oder ein Wechsel des Medikamentes in Betracht gezogen werden muss. Es ist auch wichtig, andere mögliche Ursachen für Durchblutungsstörungen auszuschliessen, etwa die periphere arterielle Verschlusskrankheit oder das sogenannte Raynaud-Syndrom. Diese Erkrankungen können ähnliche Symptome verursachen.
Dr. med. Andreas Diamantaras, Juli 2023
Gibt es bei der Parkinsonkrankheit ein Medikament, das nur einmal täglich genommen werden muss?
Es gibt mehrere Medikamente, die nur einmal pro Tag eingenommen werden müssen. Diese Medikamente gehören zur Gruppe der Dopamin-Agonisten sowie zur Gruppe der Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer). Die Dopamin-Agonisten imitieren und unterstützen die Wirkung des Dopamins an den post-synaptischen Nervenzellen, die Dopamin-Rezeptoren aufweisen. Die Agonisten sind allerdings in der dopaminergen Wirkung im Allgemeinen schwächer als beispielsweise Madopar, und führen häufig zu mehr Nebenwirkungen.
Medikamente aus dieser Gruppe sind Sifrol®, Requip®, Neupro-Pflaster®. Die MAO-Hemmer bremsen den Abbau von Dopamin im synaptischen Spalt (das ist der Zwischenraum zwischen den Zellen, die den Botenstoff Dopamin herstellen und senden, und den Zellen, die Dopamin empfangen). Hierdurch wird die Wirkung des Dopamins verstärkt. Vertreter dieser Gruppe sind die Medikamente Azilect® und Xadago®.
Prof. Dr. med. Ulrich Roelcke, Dezember 2018
Anwendungsversuche haben ergeben, dass meine Frau nicht auf Dopamin anspricht, womit ihre «Behandlungen» mit Madopar, später mit Stalevo absolut unwirksam waren. Gibt es einen Ersatz für Dopamin?
Neben Dopamin gibt es die Dopaminagonisten, die eine vergleichbare Wirkung wie Dopamin zeigen. Diese werden primär bei jüngeren Patienten empfohlen, die tendenziell früher motorische Komplikationen entwickeln, die bei Agonisten verzögert auftreten. Die Agonisten sind aber in der Regel weniger wirksam als Dopamin, bedürfen einer längeren Einführungszeit und verursachen mehr und vor allem neuropsychiatrische Nebenwirkungen. Langfristig zeigen sich hingegen keine Unterschiede in Krankheitsverlauf und Lebensqualität zwischen Dopamin und Agonisten.
Ein Nichtansprechen könnte ein Hinweis darauf sein, dass Ihre Frau möglicherweise an einer atypischen Parkinsonerkrankung leidet. Dabei handelt es sich um eine Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, die sich bei Krankheitsbeginn wie ein klassischer Morbus Parkinson manifestieren können, auch mit gutem Ansprechen auf Dopamin, was die initiale Parkinsondiagnose begründet. Der Krankheitsverlauf zeichnet sich dann aber häufig durch eine rasch fortschreitende Verschlechterung aus. Relativ früh treten Schwierigkeiten bei Gleichgewicht, Gehen und weiteren Symptomen auf, die nur teilweise oder gar nicht auf Dopamin ansprechen und die Diagnose infrage stellen.
Eine Verlaufsuntersuchung bei der Neurologin oder dem Neurologen kann weiterhelfen. Sollte sich die Verdachtsdiagnose eines atypischen Parkinson bestätigen, gibt es neben der Dopaminbehandlung, sofern wirksam, leider (noch) keine alternative medikamentöse Therapie.
Hilfreich sind Physiotherapie mit Gangschulung und Gleichgewichtsübungen, und bei Bedarf Logo- und Ergotherapie. Körperliche und mentale Aktivitäten, soweit möglich, sind empfehlenswert.
PD Dr. med. David Benninger, März 2020
Ich leide seit 13 Jahren an der Parkinsonkrankheit. Bis jetzt hat mir die Einnahme von Madopar® (3-mal täglich 200/50) geholfen, schmerzfrei und arbeitsfähig zu sein. In letzter Zeit hat sich mein Zustand verschlechtert: Manchmal kann ich mich nicht bewegen, führe unwillkürliche Bewegungen aus oder bin nicht in der Lage, ruhig zu sitzen. Mein Arzt schlug vor, mir einen Agonisten zu verabreichen. Ich habe jedoch Angst vor den Nebenwirkungen. Was würden Sie an meiner Stelle tun?
Die Fluktuationen, die Sie beschreiben, sind häufige Symptome der Parkinsonkrankheit. Sie treten auf, weil die Wirksamkeit der Behandlung im Laufe der Zeit abnimmt. Es muss deshalb versucht werden, diese Fluktuationen zu glätten. Eine Möglichkeit besteht darin, die Behandlung aufzuteilen, das heisst Medikamente häufiger am Tag einzunehmen, jedoch in geringeren Dosen. Dadurch werden zwei Dinge vermieden: zum einen Spitzenwerte der Levodopa-Dosis (die in der Regel mit unwillkürlichen Bewegungen verbunden sind), zum anderen Phasen, in denen die Medikamente nicht ausreichend wirksam sind (was zu Schwierigkeiten führt, sich zu bewegen).
Sollte die Fraktionierung nicht ausreichen, besteht die Möglichkeit, andere Moleküle beizufügen, um die Wirksamkeit von Levodopa zu verlängern. Dopaminagonisten
gehören zu dieser Strategie. Nebenwirkungen sollten bereits vor der Einnahme besprochen werden. Wenn Sie lieber auf solche Moleküle verzichten möchten, kann Ihnen Ihr Neurologe oder Ihre Neurologin Alternativen vorschlagen.
Schliesslich können sogenannte «komplexe » Behandlungen wie die Tiefe Hirnstimulation oder Pumpen (Duodopa, Apomorphin) zur Anwendung kommen. Damit lassen sich Fluktuationen deutlich reduzieren.
Dr. med. André Zacharia, Journal 02/2022
Können Parkinsonmedikamente bewirken, dass man vergesslicher wird?
Grundsätzlich machen die üblicherweise verschriebenen Parkinsonmedikamente nicht vergesslich. Falls jedoch Verwirrtheitszustände oder Halluzinationen auftreten, kann es sein, dass die Medikamente dies verstärken und so zu einer gewissen Vergesslichkeit führen können. Eine Ausnahme sind stark anticholinerg wirksame Medikamente wie Akineton, da sie die Übertragung von Nervensignalen blockieren, die für das Gedächtnis wichtig sind. Sie machen vergesslich und werden entsprechend auch nur selten eingesetzt.
PD Dr. med. Georg Kägi, Dezember 2022
Können Parkinsonmedikamente zu partiellem Haarausfall führen – vor allem an der Stirn bei sonst normalem Haarwuchs?
Wirklich schlüssige Studien gibt es dazu nicht. Dennoch gibt es ab und zu Patientinnen oder Patienten, die im Verlauf der Erkrankung Haarausfall beklagen. Ein direkter Zusammenhang mit dem Beginn, ein Medikament einzunehmen, ist meist nicht ersichtlich. In der Fachliteratur gibt es dazu relativ wenig brauchbare Daten. Die ersten zwei Fallberichte datieren von 1971, wo es kurz nach dem Beginn der Levodopa-Einnahme zu einem markanten Haarausfall gekommen ist. Beide Patienten hatten sehr hohe Dosen von L-Dopa (3 Gramm pro Tag respektive 2,5 Gramm pro Tag). Auch bei Dopaminagonisten gibt es solche Fallberichte, wobei dies nie systematisch untersucht worden ist. Es gibt auch vereinzelt Berichte darüber, dass die Haare nach einer Tiefen Hirnstimulation und der Reduktion der Medikamente nachwuchsen.
PD Dr. med. Georg Kägi, Dezember 2022
Können Medikamente Halluzinationen (vor allem nachts) auslösen?
Die Antwort auf diese Frage ist relativ einfach mit Ja zu beantworten. Wobei es deutliche Unterschiede gibt zwischen den einzelnen Medikamenten, was das Halluzinationsrisiko angeht. Anticholinergica (Biperiden), Dopaminagonisten (Pramipexol, Ropinirol) und Amantadin haben ein deutlich höheres Potenzial, Halluzinationen zu verursachen, als Levodopa. Die Halluzinationen sind typischerweise etwas gehäuft in der Nacht und häufig visueller Natur. Das heisst, Betroffene sehen Gegenstände, Schatten oder sogar Personen, die nicht echt oder zumindest nicht vor Ort sind. Die therapeutische Strategie bei Halluzinationen ist in einem ersten Schritt, die genannten Medikamente durch Levodopa zu ersetzen und auch zu schauen, ob nicht noch andere Medikamente eingenommen werden, die Halluzinationen verursachen oder verstärken können. In einem Raum zu schlafen, der nicht ganz abgedunkelt ist, hilft ebenfalls.
PD Dr. med. Georg Kägi, Dezember 2022
Sollten abgefüllte Medikamente (Medibox) gekühlt werden?
In der Regel müssen parkinsonspezifische Medikamente nicht gekühlt werden. Allerdings gibt es einige Medikamente, die unter bestimmten Bedingungen kühl gelagert werden sollten. Das Levodopa-Carbidopa/Levodopa-Benserazid (Sinemet®, Madopar®) ist bei Raumtemperatur normalerweise stabil, kann jedoch empfindlich auf Feuchtigkeit reagieren. Versuchen Sie daher, Ihre Medikamente in trockenen Räumlichkeiten zu lagern, um das Risiko von Feuchtigkeitsschäden zu vermeiden.
Hingegen ist das Duodopa-Gel, das über eine Pumpe direkt in den Dünndarm der Patientin oder des Patienten verabreicht wird, temperaturempfindlich und sollte daher im Kühlschrank zwischen 2°C bis 8°C gelagert werden. Vermeiden Sie es, das Gel im Gefrierfach zu lagern, da dies die Wirksamkeit beeinträchtigen kann.
Zudem sollten alle abgefüllte Medikamente vor Licht und Hitze geschützt werden, was in der Regel für alle Medikamente gilt. Grundsätzlich ist es immer am besten, die spezifischen Anweisungen auf der Verpackung und von Ihrer Ärztin oder Ihrem Apotheker zu befolgen, um sicherzustellen, dass Ihre Parkinsonmedikamente richtig gelagert werden.
Dr. med. Andreas Diamantaras, Juli 2023
Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Madopar® und Sequase? Besteht eine Verbindung zu Verwirrtheit und Halluzinationen? Soll man beide Medikamente zusammen einnehmen oder gibt es eine andere Möglichkeit?
In der Regel ist L-Dopa, z. B. Madopar®, ein gut verträgliches Medikament. Die Eindosierung muss langsam erfolgen, um Nebenwirkungen zu vermeiden. Mögliche Nebenwirkungen im fortgeschrittenen Stadium und bei höheren Dosierungen können Halluzinationen oder andere Formen von psychotischem Erleben sein. Eine Reduktion der Behandlung von L-Dopa ist selten möglich, da dies zu einer deutlichen Verschlechterung der Parkinsonsymptome führen würde. Dann sind zusätzliche Medikamente – die atypischen Neuroleptika Quetiapin und Clozapin – nötig, um die Nebenwirkungen zu lindern oder ganz zum Verschwinden zu bringen. Quetiapin kann Halluzinationen lindern. Offiziell für die Behandlung von Halluzinationen im Rahmen der Parkinsonerkrankung zugelassen ist aber nur Clozapin. Bei diesem wirksamen Medikament muss aber an eine seltene, bedrohliche Nebenwirkung, die sogenannte Agranulozytose, gedacht werden, bei der es relativ plötzlich zum Untergang der meisten weissen Blutzellen kommen kann. Dies äussert sich z. B. in Form von Fieber. Aus diesem Grund muss zu Beginn wöchentlich, später deutlich seltener im Abstand von mehreren Monaten eine Blutuntersuchung und die Bestimmung des Differenzialblutbildes erfolgen. Bei Parkinsonbetroffenen ist dieses Medikament sehr wirksam.
Dr. med. Stefan Hägele, Juni 2021
Ich muss wegen meinen unruhigen Beinen Sifrol® nehmen. Nun sollte ich wegen meinen Schlafstörungen Saroten® nehmen. Kann ich das ohne Bedenken?
Beide Medikamente können gegenseitig ihre sedierende Wirkung verstärken. Wenn diese Kombination benötigt wird, sollte man die Behandlung möglichst tiefdosiert beginnen und auf Entstehung starker Müdigkeit achten. Wenn diese eintritt, sollte eine andere medikamentöse Strategie erwogen werden.
Prof. Dr. med. Ulrich Roelcke, Dezember 2018
Im Magazin Parkinson Nr. 113 (März 2014, Seite 13) werden unter «Symptomatischer Parkinson» verschiedene Parkinsonsyndrome aufgeführt. Auch der medikamentöse Parkinson, ausgelöst durch bestimmte chemische Wirkstoffe. Welche chemischen Wirkstoffe sind das?
Es sind hauptsächlich Stoffe, welche die Dopamin-Rezeptoren blockieren, die Parkinsonsymptome auslösen können. Meistens gehören sie zur Gruppe der sogenannten Neuroleptika, die bei psychiatrischen Erkrankungen (Psychosen, Halluzinationen) eingesetzt werden. Aber auch Medikamente gegen Übelkeit und Reisekrankheit können eine Dopamin-hemmende Wirkung haben und zu Parkinsonsymptomen führen. Für Parkinsonbetroffene ist es wichtig zu wissen, dass es bei visuellen Halluzinationen zwei Medikamente gibt, Quetiapin (z. B. Sequase®) und Clozapin (Leponex®), die aufgrund ihrer gezielten Wirkung erlaubt sind und Parkinsonsymptome nicht beeinflussen. Bei Übelkeit dürfen zudem Domperidon (Motilium®) oder Ondansetron (Zofran®) eingesetzt werden, die nicht im Zentralnervensystem wirken bzw. einen Dopamin-unabhängigen Wirkmechanismus haben.
Prof. Dr. med. Stephan Bohlhalter, März 2018
Ich bin selber von Parkinson betroffen. Kann ich bei Parkinson Analgetika zur Schmerzbekämpfung nehmen? Ich habe gehört, dass sich die Wirkung der Parkinsonmittel dadurch verringert.
Das Problem der Schmerzen bei Morbus Parkinson (MP) ist komplex. Im Prinzip ist MP nicht schmerzhaft. Trotzdem kann es vorkommen, dass Schmerzen in Form von Muskelkrämpfen, morgendlichen Dystonien der Zehen oder dem Restless-Legs-Syndrom auftreten. Ausserdem kann die Krankheit in Verbindung mit verschiedenen, in diesem Alter nicht seltenen, schmerzhaften Pathologien auftreten wie rheumatischen Schmerzen in den Gelenken und der Wirbelsäule. Interessanterweise moduliert die Einnahme von Medikamenten auf Levodopa-Basis die Schmerzen häufig: starke Schmerzen in der Off-Phase, die in der On-Phase nachlassen bzw. verschwinden.
Durch medikamentöse Behandlung, auch durch Pumpen, oder Tiefe Hirnstimulation können die Symptome stabilisiert und der Schmerz wirksam behandelt werden. Abschliessend bestätige ich Ihnen, dass bestimmte Schmerzmittel einen nachteiligen Einfluss auf die Symptome von MP haben können. Dies gilt vor allem für Opiate, die bei gleichzeitiger Gabe von MAO-B-Hemmern (z. B. Azilect) oder Anticholinergika (z. B. Akineton) ausdrücklich kontraindiziert sind. Ansonsten ist die Einnahme herkömmlicher Schmerzmittel (z. B. Paracetamol oder NSAR) unproblematisch.
Prof. Dr. med. Pierre Burkhard, Juli 2016
Ich fahre bald zur See und nehme folgende Medikamente: Madopar, Stalevo, Trittico, Zoloft, Sifrol. Können Sie mir ein Medikament gegen Seekrankheit nennen, das sich mit meinen Medikamenten verträgt?
Domperidon (Motilium®) ist ein geeignetes Medikament zur Bekämpfung der Beschwerden einer allfälligen «Seekrankheit». Motilium® kann auch mit guter Wirksamkeit gegen Magenbeschwerden (Völlegefühl, Aufstossen, Blähungen) bei der Parkinsonkrankheit – unabhängig von einer Seefahrt – eingesetzt werden. Es ist problemlos mit den anderen Parkinsonmedikamenten kombinierbar. Eine allfällige Nebenwirkung kann Müdigkeit sein. Dies wäre z. B. beim Autofahren zu beachten, stellt auf einer Seefahrt jedoch kein Problem dar.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger, September 2018
Weil es mir beim Skifahren immer schlecht wurde, habe ich während rund 10 Jahren das Medikament Stugeron® genommen, pro Winter ca. 15-mal. 2009 bekam ich die Diagnose Parkinson. Dann las ich auf der Beilage, dass Parkinsonbetroffene dieses Medikament nicht nehmen dürfen. Ist Stugeron® schuld, dass ich diese Krankheit bekommen habe?
Nein, Cinnarizin (Wirkstoff von Stugeron®) ist nicht die Ursache der Parkinsonerkrankung. Aber es ist richtig, dass Cinnarizin Parkinsonsymptome verstärken kann, weil es nicht nur hemmend auf Kalziumkanäle wirkt und so Schwindelsymptome verbessert, sondern auch Dopaminrezeptoren blockiert. Cinnarizin sollte deshalb bei Parkinson vermieden werden.
Prof. Dr. med. Stephan Bohlhalter, August 2020
Ich bin 73-jährig und männlich. Seit 14 Jahren habe ich Parkinson. Neuerdings stürze ich häufig. Könnte dies zusammenhängen mit einer höheren Dosierung von Rivotril®?
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Stürze sind nach 14-jährigem Krankheitsverlauf bei Parkinson leider nicht so ungewöhnlich. Trotzdem stellen sich wichtige Fragen, um dies genau beurteilen zu können. 1. In welchem Zustand treten die Stürze auf? In der On-Phase – also bei guter Wirkung der Medikamente – oder in der Off-Phase? 2. Treten die Stürze im Rahmen eines Freezings (Gangblockaden) oder einer Festination (unwillkürliche Gangbeschleunigung) auf oder unabhängig davon? Wenn die Stürze im On-Zustand und unabhängig von Freezing/Festination auftreten, ist wahrscheinlich die posturale Kontrolle gestört. Das heisst, die automatischen Reflexe, die uns normalerweise vor dem Stürzen schützen, sind nicht mehr präzis und schnell genug. Die Therapie dieser Situation ist sehr schwierig und der Fokus liegt v. a. in der Prävention der Stürze mit Physiotherapie und Hilfsmitteln. Treten die Stürze jedoch im Off-Zustand oder im Kontext mit Freezing-Episoden auf, kann durch Anpassung der Therapie einiges verbessert werden.
Ich nehme an, dass Sie das Rivotril® aufgrund einer spezifischen Schlafstörung am Abend einnehmen (REM-Schlafverhaltensstörung). Zumeist reicht da eine sehr kleine Dosis für die Behandlung, die in der Regel keinen relevanten Einfluss auf die Sturzgefahr hat. Hier ist jedoch der Zusammenhang zwischen Beginn der Rivotril®-Therapie und den Stürzen sehr wichtig. Wenn Sie vermehrt stürzen, seit Sie Rivotril® nehmen oder die Dosis erhöht haben, kann das ein Puzzlestein sein, der sich negativ auf die Sturzgefahr auswirkt. Bei Rivotril® gilt sicher die Regel; so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Sollte Rivotril® nicht aufgrund einer REM-Schlafverhaltensstörung eingenommen werden, wäre ein Absetzversuch sinnvoll.
PD Dr. med. Georg Kägi, Juni 2020
Ich habe in der Folge der Medikation mit Madopar (morgens, mittags und abends jeweils 125 mg) starke Verspannungen um den Mund und Schwierigkeiten mit Sprechen. Mein behandelnder Neurologe hat nie ein anderes Medikament in Erwägung gezogen. Wäre ein Versuch mit einem anderen Medikament möglich?
Ich nehme an, dass es sich bei den Symptomen um sogenannte «orofaziale Dyskinesien» beziehungsweise «Dystonien» handelt. Das sind unwillkürliche Bewegungen und Verkrampfungen der Mund- oder Gesichtsmuskeln, die auch das Sprechen erschweren können. Sie machen sich selten relativ rasch nach Beginn einer Therapie mit Madopar bemerkbar und können auf ein atypisches Parkinsonsyndrom hin- weisen. Es gibt eine Reihe von Medikamenten, die in der Ersttherapie des Parkinson eingesetzt werden kann. Allerdings können auch die meisten anderen Parkinsonmedikamente solche Symptome verursachen.
Das weitere Vorgehen hängt von folgenden Faktoren ab: Lässt sich eine Dosis bestimmen, ab der orofaziale Dystonien auftreten? Führen die drei Tabletten Madopar 125/Tag zu einer Besserung der eigentlichen Parkinsonsymptome? Und in welchem zeitlichen Abstand treten die Symptome nach der Medikamenteneinnahme auf?
Amantadin kann gegebenenfalls zur Linderung von orofazialen Dystonien ein- gesetzt werden, wird aber nicht von allen gut vertragen. Ob andere Parkinsonmedikamente wie Dopaminagonisten oder MAO-B-Hemmer eingesetzt werden sollten, kann an dieser Stelle nicht entschieden werden. Dies sollte mit der behandelnden neurologischen Fachperson besprochen werden.
Prof. Dr. med. Carsten Möller, Rehaklinik Zihlschlacht Stv. Chefarzt Leiter Parkinsonzentrum, März 2024
Vor fast zwei Jahren erhielt ich die Diagnose Parkinson. Nun lese ich regelmässig, dass die Frühdiagnose wichtig sei. Beim ersten Besuch hat mir mein Neurologe vorgeschlagen, eine Medikation zu beginnen. Als ich zögerte, sagte er, ich könne es auch sein lassen, verpassen würde ich nichts. Ich nehme noch keine Medikamente und habe bis jetzt auch nur einen leichten Tremor in der rechten Hand. Bei einem kürzlichen Test beim Neurologen hat sich nicht viel verändert seit der Diagnose. Der Arzt sagt, dass ich bestimme, wann ich die Medikation beginne. Ich bin sehr unsicher, was ich tun soll.
Die Frühdiagnose einer Parkinsonkrankheit hat nicht immer unmittelbare therapeutische Konsequenzen. Um die Begründung für eine Parkinsonmedikation zu stellen, ist es wichtig, die Symptome durch Befragung und körperlich-neurologische Untersuchung abzuklären. Finden sich deutliche Verspannungen der Muskulatur, Störungen der Beweglichkeit oder Zittern (Tremor), ist eine Medikation sinnvoll. Bemerken die Patientin oder der Patient zwar geringe Symptome, die sich jedoch im Alltag nicht wirklich störend auswirken, kann mit der Medikation zugewartet und die Begründung hierzu im Verlauf überprüft werden. Das heisst, die Begründung für eine Medikation hängt von der Sicht des Betroffenen ab, also davon, wie relevant allfällige Beeinträchtigungen im Alltag sind, sowie von den neurologischen Untersuchungsbefunden.
Prof. Dr. med. Ulrich Roelcke, März 2022
Wie ist die Wirkung von Azilect? Gemäss Internetforum ist das Medikament teuer. Könnte man es durch Selegilin ersetzen und wo ist dieses erhältlich?
Azilect® enthält den Wirkstoff Rasagilin, der die Wirkung von L-Dopa (in Madopar® oder Sinemet®) verlängert. Es hat auch eigenständig eine leichte Wirkung auf Parkinsonsymptome. Rasagilin wird ergänzend eingesetzt, wenn die Wirkungsdauer von L-Dopa nachlässt, d. h. wenn Wirkungsschwankungen (Wearing-off) auftreten. Zudem kann Rasagilin im Frühstadium als Einzelmedikament eingesetzt werden, wenn Parkinsonsymptome noch milde ausgeprägt sind. Es hat sich gezeigt, dass der Bedarf an zusätzlichen Parkinsonmedikamenten, der meist nach 1-2 Jahren entsteht, auf diese Art hinausgezögert werden kann.
Rasagilin und Selegilin gehören der gleichen Medikamentengruppe an, den sogenannten MAO-B-Hemmern, die den Abbau von Dopamin hemmen. Sie wirken daher ähnlich. Allerdings hat Selegilin ein Stoffwechselprodukt mit Amphetamin-ähnlicher Wirkung und deshalb potenziell mehr Nebenwirkungen (z. B. visuelle Halluzinationen). Bei Betroffenen mit kognitiven Einschränkungen ist es weniger geeignet. Die Frage, ob Rasagilin durch Selegilin ersetzt werden kann, erübrigt sich jedoch, weil Selegilin (Jumexal®) seit 2016 in der Schweiz nicht mehr im Handel erhältlich ist.
Prof. Dr. med. Stephan Bohlhalter, März 2018
Ich habe seit 18 Jahren Parkinson. Nun habe ich von einem neuen Medikament gehört, Ongentys®. Wie wirkt das?
Ongentys® (Wirkstoff Opicapon) ist ein COMT-Hemmer der dritten Generation. Opicapon senkt die Abbaurate von Levodopa in der Peripherie und verlängert so die Dauer des klinischen Levodopa-Effekts. Die Off-Zeit wird reduziert und die On-Zeit verlängert. In der Schweiz sind Ongentys ®-50mg-Kapseln als Zusatztherapie mit der Fixkombination von Levodopa und Decarboxylasehemmer bei Parkinsonpatienten und Parkinsonpatientinnen mit motorischen «End-of-dose»-Fluktuationen zugelassen. Ongentys® ist nur einmal täglich (beim Zubettgehen, eine Stunde vor oder nach Levodopa) einzunehmen.
Dr. med. Helene Lisitchkina, Dezember 2021
Wie lange ist die Wirkungsdauer von Madopar® DR 250 mg? Auf dem Beipackzettel gibt es keine konkreten Angaben.
Dies ist eine sehr interessante und wichtige Frage. Eine klare Antwort darauf könnte helfen, das Dosierungsintervall (Zeitspanne zwischen zwei Medikamentendosen) genau festzulegen. Doch die Antwort ist aus mehreren Gründen nicht eindeutig zu geben.
1. Die Wirkung soll von Levodopa (Inhalt von Madopar) im Gehirn erfolgen, wo es den bei der Parkinsonkrankheit zu wenig verfügbaren Botenstoff (Neurotransmitter) Dopamin ersetzen soll.
2. Das Medikament (Dragee oder Kapsel) muss zuerst im Magen aufgelöst und in den Dünndarm weitertransportiert werden (Magenentleerung).
3. Dann wird es durch die Darmwand ins Blut aufgenommen.
4. Das Medikament muss anschliessend im Hirn von den kleinsten Hirngefässen (Kapillaren) aus dem Blut durch die sogenannte Blut-Hirn-Schranke ins Hirngewebe gelangen.
5. Erst dort wird das Levodopa (also das Medikament) in den Nervenzellen in die eigentliche Wirksubstanz Dopamin umgewandelt.
Es sind also mindestens fünf Vorgänge involviert, die mitbestimmen, wie viel der zugeführten Medikamentensubstanz ins Hirn an den Wirkort gelangt, und wie schnell und wie lange anhaltenddiese wirkt. Zudem sind diese Vorgänge bei jedem Patienten unterschiedlich und kaum messbar. Schon nur die Magenentleerung ist ein sehr komplizierter, mehrphasiger Prozess, der abhängig ist von Alter, Gewicht, Geschlecht, Körperposition, Art der Nahrung, Art der Zusatzmedikamente. Somit sind Häufgkeit und Dauer der Magenentleerungen eines Patienten kaum abschätzbar.
Die Magenentleerung ist aber ein entscheidender Faktor für die Wirkdauer z. B. von Madopar. Bleibt das Medikament im Magen liegen, kann es nicht wirken – unabhängig davon, ob es als normales oder als sogenanntes Retard-Präparat (DR) eingenommen wird. Dazu ist bei der Parkinsonkrankheit die Magenentleerung verzögert. Laut einer Studie dauerte es bei Patienten im frühen Krankheitsstadium durchschnittlich 85 Minuten, bis die Hälfte einer Standardmahlzeit aus dem Magen entleert war. Bei Gesunden dauert dies 43 Minuten, bei fortgeschrittener Parkinsonkrankheit 220 Minuten.
Somit müssen die Wirkungsdauer und die Geschwindigkeit des Wirkungseintrittes bei jedem Patienten individuell beobachtet und entsprechend die Dosierungsintervalle festgelegt werden. Zudem gilt die Empfehlung, die Medikamente rund 45 Minuten vor einer Mahlzeit einzunehmen und diese nicht mit einer eiweiss oder fettreichen Mahlzeit zu kombinieren. Denn jegliche Nahrung, besonders eiweiss- und fettreiche, verzögert und verlangsamt die Aufnahme des Medikamentes in den Körper.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger, September 2018
Ich habe einen Freund (41), und seine Mutter ist mit rund 60 Jahren an Parkinson erkrankt. Mir ist aufgefallen, dass er in der Einschlafphase teils starke Muskelanspannungen in den Beinen hat – keine Zuckungen, sondern ein Anspannen, Lösen und wieder Anspannen. Das tritt nicht jede Nacht auf, vermehrt aber, wenn er Stress hat. Ich bin mir nicht sicher, ob er es merkt – traue mich aber nicht, ihn darauf anzusprechen. Könnte dies auf Parkinson hinweisen?
Was Sie beschreiben, sind am ehesten sogenannte periodische Beinbewegungen im Schlaf, die zwar nicht unbedingt mit einer Parkinsonerkrankung, häufig aber mit dem Syndrom der unruhigen Beine (Restless-Legs-Syndrom RLS) vergesellschaftet sind. Dieses Syndrom ist sehr häufig in der Bevölkerung (mehrere Prozent). Fragen Sie Ihren Freund, ob er manchmal im Kino oder abends vor dem Fernseher den Drang verspürt, die Beine zu bewegen, weil er damit ein Spannungsgefühl oder andere Missempfindungen in den Beinen lösen kann. Dies wäre auch ein typisches Symptom für ein RLS.
Hingegen ist die sogenannte Traumschlaf-Verhaltensstörung (engl. REM Behaviour disorder, RBD) – eine typische nächtliche Bewegungsstörung – häufig mit einem Parkinsonsyndrom vergesellschaftet. Dabei treten Unruhezustände im Traum auf, wie das Um-sich-Schlagen oder Ausrufen. Meist besteht keine Erinnerung an die Träume, doch der Betroffene kann aus dem Bett fallen, und für den Bettpartner ist es störend.
Dr. med. Matthias Oechsner, September 2016
Ich, Pflegefachfrau, betreue eine Parkinsonpatientin, die fast täglich an einem bis zu 30 Minuten dauernden, starken Muskelkrampf im Nacken-Schulter-Bereich leidet. Sie legt sich dann hin oder wird im Rollstuhl sitzend mit einem Kissen im Nacken gestützt. Sie empfindet diese Stellungen als Entlastung. Man sagt doch aber «Druck erzeugt Gegendruck». Ist die Massnahme mit dem Kissen sinnvoll oder kontraproduktiv?
Der Muskelkrampf gehört bei vielen Parkinsonbetroffenen zum Krankheitsbild und kann jeden Muskel/jede Muskelgruppe betreffen. Schmerzhafte Krämpfe im Nacken-Schulter-Bereich sind dabei mit am häufigsten. Wenn Ihre Massnahme mit dem Kissen im Nacken respektive die Flachlagerung im Bett hilfreich sind, die Schmerzen allmählich abklingen, spricht absolut nichts dagegen, sie durchzuführen. Wenn der Krampf, wie Sie beschreiben, nie länger als 30 Minuten dauert und die Entlastung mit dem Kissen funktioniert, würde ich das weiterhin genauso machen. Oft ist der Krampf (Dystonie) Ausdruck eines eher knappen Dopaminspiegels und wird nicht selten von einer Phase überschiessender Beweglichkeit (Dyskinesien) abgelöst.
Sollte dies bei Ihrer Patientin der Fall sein, wäre ein Besuch beim Neurologen angezeigt, um die Medikation zu prüfen und zu optimieren. Dafür ist es sinnvoll, im Vorfeld das Parkinson-Tagebuch (gratis bei Parkinson Schweiz erhältlich) auszufüllen. Anhand dieses über 1 bis 2 Wochen geführten Bewegungsprotokolls wird für den Neurologen ersichtlich, zu welchen Tageszeiten die Symptomatik wie ausgeprägt ist. So kann er die Medikation entsprechend anpassen. Solche schmerzhaften Krämpfe können oft auch erfolgreich mit schnell wirksamen Parkinsonmedikamenten bekämpft werden. Eine entsprechende Verordnung erfolgt durch den Neurologen. Auch Wärmeapplikationen werden manchmal erfolgreich angewendet. Physiotherapie könnte ratsam sein. Hingegen zeigen konventionelle Schmerzmedikamente meist keine oder nur eine geringe Wirkung.
Sollte sich die Dauer des Krampfes verlängern oder sollte dieser öfter am Tag auftreten, ist der Besuch beim Neurologen umso ratsamer!
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, Juni 2020
Ich möchte mich über die Methode des Fokussierten Ultraschalls bei Parkinson informieren. Befindet sich diese Methode noch in einer Studie oder wird es nun an Patienten ohne Studie angewandt?
Der Fokussierte Ultraschall (FUS) ist eine recht junge Behandlung, bei der durch Bündelung von Ultraschallwellen auf einen Punkt gezielt winzige Hirnregionen ausgeschaltet, d. h. durch Hitze verödet werden können. Damit gehört der FUS zu den läsionellen Therapien, die bei Morbus Parkinson eingesetzt werden können. Bereits ab den 1950er Jahren, also bevor die Tiefe Hirnstimulation verfügbar wurde, hatte man in der Parkinsontherapie bei bestimmten schweren Fällen chirurgische Läsionen gesetzt. Eine einmal gesetzte Läsion kann nicht rückgängig gemacht werden. Die herkömmliche Läsionschirurgie (sog. Pallidotomie oder Thalamotomie), bei der operativ der Schädel geöffnet werden muss, wurde weitgehend von der Tiefen Hirnstimulation (THS) abgelöst. Denn bei diesem Eingriff ist die Verletzung des Gewebes vernachlässigbar klein, weil die Stimulation individuell programmiert und auch nach Jahren angepasst werden kann.
Mit dem MRI-gesteuerten FUS steht nun eine hochpräzise Methode zur Verfügung, bei der keine chirurgische Öffnung der Schädeldecke nötig ist. Die bisher publizierten Daten zu dieser Methode sind ermutigend. Es gibt aber keinen direkten Vergleich zur Behandlung mit THS, und die meisten gegenwärtig laufenden Studien zum FUS untersuchen nur eine einseitige Behandlung. Die THS gilt als Standard und ist eine erprobte Methode. Das ist der Grund für die Zurückhaltung vieler Experten bezüglich des FUS. Man hätte gerne mehr Erfahrung und mehr Gewissheit. In der Schweiz ist es heute möglich, ohne Teilnahme an einer Studie im Rahmen der Grundversorgung mit FUS behandelt zu werden. Die Kostendeckung muss vorgängig mit der Krankenkasse geklärt werden, wird aber meistens zugesagt.
Die Resultate bei Parkinsonbetroffenen können gut sein, wie die erste Publikation über FUS bei Parkinson aufzeigt (Magara et al.: Journal of Therapeutic Ultrasound, 2014, 2: 11) – übrigens eine Schweizer Pionierleistung. Diese publizierten Daten beziehen sich auf die einseitige Behandlung mit FUS. Eine beidseitige Behandlung wird auch durchgeführt, die Daten darüber sind aber noch nicht veröffentlicht.
PD Dr. med. Michael Schüpbach, Dezember 2017
Ich habe Morbus Parkinson, war zweimal in einer Institution und bin sehr gut mit Medikamenten eingestellt, so dass ich bis vor kurzem kaum merkte, Parkinson zu haben. Kürzlich wurde ich wegen einem Aortenaneurysma operiert. Seit der Aufwachzeit bin ich sehr eingeschränkt beim Gehen, so stark wie noch nie. Hat das mit der Operation zu tun?
Eine Verschlechterung kann durch Medikamente verursacht werden, die bei Narkosen zur Beruhigung oder gegen Übelkeit eingesetzt werden. Dies kann zu einer Verstärkung der Parkinsonsymptome führen, ist häufig aber reversibel. Medikamente mit folgenden Inhaltsstoffen sollten nicht verwendet werden: Metoclopramid, Neuroleptika (ausser Clozapin, Quetiapin), Reserpin, 5-Hydroxytryptamin-Antagonisten. Des weiteren gilt zu bedenken, dass Parkinsonmedikamente bis zum Morgen der Operation und unmittelbar nach der Operation kontinuierlich eingenommen werden sollen. Die letzte Einnahme der Parkinsonmedikamente sollte am Morgen vor der Operation erfolgen. Sobald man nach der Operation wieder schlucken darf, sollte die gewohnte Einnahme der Parkinsonmedikamente sofort wieder aufgenommen werden.
Operationen sind für Parkinsonbetroffene generell eine besondere Belastung. Die Betroffenen brauchen länger, um sich zu erholen.
Prof. Dr. med. Ulrich Roelcke, Dezember 2018
Mein Mann hat Parkinson im fortgeschrittenen Stadium. Die Parkinsonmedikamente wirken nicht mehr gut, sodass er immer häufigere und längere Off-Zeiten hat. Eine Tiefe Hirnstimulation (THS) kommt für ihn nicht infrage. Wäre eine Pumpentherapie hilfreich? Und wann ist die Pumpentherapie angezeigt?
Im Laufe der Parkinsonerkrankung kommt es zu einem zunehmenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn, die für die Herstellung und Speicherung des Botenstoffs Dopamin verantwortlich sind. Mit zunehmender Krankheitsdauer wird die medikamentöse Behandlung mit Tabletten immer schwieriger. So kann die Wirkung von eingenommenen Tabletten verzögert eintreten, wofür die bei Parkinsonbetroffenen oftmals verzögerte Entleerung des Magens verantwortlich sein kann. Auch mit wiederholten Anpassungen der Medikamente ist es in manchen Fällen schwierig, eine gute Beweglichkeit allein durch die Einnahme von Tabletten oder über die zusätzliche Anwendung eines Medikamentenpflasters zu erreichen. Beim Auftreten von On-Off-Fluktuationen und Dyskinesien (Überbewegungen) kommen neben der Tiefen Hirnstimulation (THS) die sogenannten Pumpentherapien in Betracht. Ob diese im Einzelfall tatsächlich geeignet sind, kann in einer spezialisierten Neurologischen Klinik beurteilt werden.
Dr. med. Helene Lisitchkina, Dezember 2021
Welche Pumpentherapien gibt es und wie wirken sie?
Grundidee der Pumpentherapie ist es, die lange Transitzeit der Tabletten vom Magen über den Dünndarm ins Blut zu überbrücken. Mithilfe elektronisch gesteuerter Pumpen können die Parkinsonmedikamente kontinuierlich in kleinen Mengen verabreicht werden, was die schnellere und gleichmässigere Wirkung ermöglicht. Die Einnahme von Tabletten kann deutlich reduziert oder sogar ganz abgesetzt werden. Die Pumpen werden aussen am Körper getragen. Die anspruchsvolle Therapieeinstellung (u. a. Dosisfindung, Pumpenhandhabung, Schulung für Patient oder Patientin und Betreuende etc.) erfolgt stationär. Bei allfälligen Problemen mit der Pumpe steht eine kostenlose Hotline rund um die Uhr zur Verfügung.
Apomorphin-Pumpe
Apomorphin ist ein Dopaminagonist (Substanz, die dem Dopamin ähnlich ist und dessen Wirkung imitiert), der aus dem an die Pumpe angeschlossenen Behälter über einen dünnen Schlauch und eine kleine, feine Injektionsnadel direkt ins Fettgewebe unter der Haut zugeführt wird. Von dort erfolgt der Übertritt ins Blut. Die Nadel wird täglich platziert und an der Haut mit einem Kleber befestigt. Relativ häufige Begleiterscheinungen können knötchenartige Verhärtungen unter der Haut sein, die aber in der Regel harmlos sind und sich nach wenigen Tagen zurückbilden.
Duodopa-Pumpe
Hier wird der Wirkstoff als Carbidopa/Levodopa-Gel über eine Sonde bzw. einen Kunststoffschlauch direkt in den Dünndarm geleitet, von wo er sofort ins Blut aufgenommen wird. Ob ein Patient oder eine Patientin von dieser Behandlung profitiert, wird in einem Testlauf mit einer provisorischen Nasensonde überprüft. Die Platzierung der dauerhaften Sonde erfolgt über einen kleinen operativen Eingriff unter Kurznarkose. Dabei wird durch die Bauchwand ein künstlicher Zugang (PEG) in den Magen gelegt. Über den Zugang wird ein dünner Schlauch direkt zum oberen Teil des Dünndarms geführt, wo dann die Aufnahme des Wirkstoffs ins Blut stattfindet. Allfällige Nebenwirkungen, wie eine Entzündung im Bereich der Eintrittsstelle der Sonde sowie eine Verstopfung oder das Verrutschen der Sonde, lassen sich in der Regel rasch beheben.
Dr. med. Helene Lisitchkina, Dezember 2021
Die ersten Parkinsonsymptome traten bei mir nach einer Vollnarkose auf. 16 Jahre später hat sich mein Zustand nach einer erneuten Operation mit Vollnarkose deutlich verschlechtert. Kann eine Vollnarkose eine merkliche und anhaltende Verschlimmerung der Parkinsonsymptome zur Folge haben?
Eine Vollnarkose wie auch jede Operation an sich sind grosse Belastungen für den Körper. Bei Parkinsonkranken ist es ein häufig gesehenes Phänomen, dass sich die Symptome dadurch vorübergehend akzentuieren können. Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass eine Allgemeinanästhesie zu dauerhaften Problem bei Parkinsonpatienten führen kann.
Vor, während und nach der Narkose muss darauf geachtet werden, dass die Medikamente möglichst unverändert weitergegeben werden, dass der Patient mit Vorteil als erster auf dem Operationsprogramm steht und dass keine Medikamente verwendet werden, die in den Dopaminhaushalt eingreifen. Die Narkoseärzte sind sich dieser Grundproblematik bewusst.
Dr. med. Georg Kägi, Märzt 2016
Ich habe eine PSP. Es gibt ein Medikament, um diese Erkrankung zu behandeln, es heisst «AZP2006». Ist es erhältlich und wenn ja, wo?
Die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) ist eine neurodegenerative Erkrankung, bei der die Ansammlung abnormaler Proteine zu einer Schädigung bestimmter neuronaler Schaltkreise führt. Dadurch werden die Symptome der Krankheit hervorgerufen. Es gibt klinische Studien, in denen versucht wird, die Ansammlung dieser Proteine zu bremsen. Derzeit gibt es gegen PSP kein Heilmittel.
Das Medikament «AZP2006» ist womöglich eine vielversprechende Therapie, das zeigen Versuche an Tieren. Es gibt nur eine einzige registrierte Studie (in Frankreich) mit Menschen. Sie umfasst 36 Patientinnen und Patienten und ist noch nicht abgeschlossen. Die Studie vergleicht das Medikament «AZP2006» mit einem Placebo. Ihr Ziel besteht darin, die Verträglichkeit zu überprüfen und pharmakologische Massnahmen zu ergreifen. Solche Studien sind vorgeschrieben, um die Verträglichkeit und Sicherheit jeder neuen chemischen Verbindung zur Behandlung einer Krankheit zu überprüfen. Daher ist es leider noch zu früh, um «AZP2006» in der Behandlung von PSP einsetzen zu können.
Dr. med. André Zacharia, Journal 02/2022
Eine 81-jährige Klientin unserer Spitex, die seit 2002 die Diagnose Parkinson hat, leidet jeweils unter Halluzinationen, wenn sie am Morgen Madopar LIQ 125 mg einnimmt. Sie sieht fremde Menschen im Zimmer. Ist das eine Nebenwirkung von Madopar LIQ oder kommt es daher, dass die Wirkung von Sinemet (6-mal täglich) nachlässt?
Fast ein Fünftel aller Parkinsonpatienten entwickelt im Laufe der Erkrankung Halluzinationen. Als Risikofaktoren für die Entwicklung von Trugbildern gelten nicht nur Parkinsonmedikamente, sondern auch individuelle Veranlagungsfaktoren, wie zum Beispiel höheres Lebensalter, kognitive Einschränkungen und eine lange Behandlungsdauer.
Halluzinationen treten unter Levodopa nicht häufiger auf als unter Dopaminagonisten. Im Fall dieser 81-jährigen Patientin sind Halluzinationen nicht die Folge einer nachlassenden Wirkung von Sinemet als vielmehr der rasch einsetzenden Wirkung von Madopar LIQ in den Morgenstunden. Eine Reduktion von Levodopa in den Morgenstunden kann in diesem Fall zu einer raschen Besserung der Halluzinationen führen. Daneben sollten auch andere Faktoren, die Halluzinationen begünstigen, überprüft werden.
In meiner Praxis sah ich wiederholt Fälle von Patienten mit Entwässerung (bei zu geringer Trinkmenge), leichtem Fieber (im Alter nie sehr hoch) oder nach Operationen, wo Halluzinationen zwar nur vorübergehend, aber aus heiterem Himmel auftraten. Im Allgemeinen treten Halluzinationen allerdings nie plötzlich auf und können bei frühzeitiger Erkennung durch Anpassung der Medikamente vermieden werden. Parkinsonpatienten mit lebhaften nächtlichen Albträumen und Verwirrtheitsphasen in der Einschlaf- oder Aufwachphase entwickeln später häufig Halluzinationen in der Wachphase.
Wenn das Frühstadium von Halluzinationen nicht verpasst wird und die Medikamente noch rechtzeitig umgestellt werden können, ist die Gefahr von chronischen Halluzinationen geringer, da die Betroffenen die Distanz zu ihren realitätsfremden Sinnestäuschungen nicht verlieren und bewusst realisieren, dass die Halluzinationen nicht der Wahrheit entsprechen.
Dr. med. Thomas Loher, März 2017
Mein Vater hat Parkinson. Welches Medikament empfehlen Sie ihm, um Depression und Schlafprobleme (Insomnie) zu bekämpfen? Mein Vater werkelt Tag und Nacht, meist hantiert er an elektrischen Kabeln herum. Ich habe gelesen, dass die Medikamente genau dieses Verhalten hervorrufen. Was tun?
Neben motorischen Störungen können bei der Parkinsonkrankheit auch nicht-motorische Störungen wie Schlafstörungen oder Depressionen, aber auch Verhaltensstörungen auftreten. Hierzu zählt das sogenannte «Punding», das durch wiederholte stereotype Handlungen – wie beispielsweise das Zusammenbauen und Auseinandernehmen elektrischer Geräte – gekennzeichnet ist.
Es ist wichtig, den behandelnden Neurologen über diese Störung zu informieren, da sie zwischenmenschliche und psychische Folgen haben kann. Die Behandlungsstrategie besteht im Wechsel und der Reduktion dopaminerger Medikamente – sofern das Ausmass der motorischen Störungen dies zulässt.
Einige Medikamente, insbesondere manche Antidepressiva wie Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), können einen positiven Einfluss sowohl auf Zwangshandlungen als auch auf den Muskeltonus und die Schlaflosigkeit haben.
Dr. med. Claudio Städler, Juli 2018
Mein Mann (67) hat seit mehreren Jahren Parkinson. In letzter Zeit schlägt er im Schlaf manchmal wild um sich und hat mich dabei auch schon verletzt. Am Morgen erinnert er sich aber an nichts. Ist ein unruhiger Nachtschlaf typisch bei Parkinson und was soll ich tun?
Was Sie schildern, nennt die Neurologie REM-assoziierte Schlafverhaltensstörung. REM steht für rapid eye movement (schnelle Augenbewegungen) und wird auch als Traumschlaf bezeichnet. Natürlicherweise ist die Muskulatur des Körpers während des Traumschlafes total entspannt. Dadurch kann das Traumerleben keine Auswirkung auf die körperliche Bewegung haben. Bei Menschen mit Parkinson scheint diese muskuläre Entspannung nicht mehr zu funktionieren, sodass der Traum körperlich ausgelebt wird. Dabei kann es auch zu Verletzungen der Person kommen, die im gleichen Bett schläft. Am Morgen weiss der Betroffene von nichts, weil Träume ja im Schlaf auftreten. Diese Störung kann sich bereits viele Jahre vor der Diagnose einstellen oder auch erst im Lauf der Zeit entwickeln.
Informieren Sie die Neurologin oder den Neurologen über das Erlebte. Sie werden versuchen, den Nachtschlaf Ihres Partners – und damit auch Ihren eigenen – positiv zu beeinflussen. Es gibt auch Paare, die sich für getrennte Schlafzimmer entscheiden.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, September 2022
Ich bin 73. Vor 6 Jahren wurde bei mir die Diagnose Parkinson gestellt. Ich habe Schlafstörungen und die üblichen Probleme beim Drehen im Bett. Ich benutze eine Air-Lux-Matratze (Luft) und muss diese ersetzen. Nun bin ich auf die Parkinson-Matratze «Thevo» gestossen. Können Sie dieses Produkt empfehlen? Gibt es weitere Alternativen?
Es gibt nicht eine alleingültige Antwort auf Ihre Frage. Grundsätzlich kann man sagen, dass eine weiche Matratze den Liegekomfort erhöht aber die Beweglichkeit einschränkt. Je härter die Matratze ist, desto mehr gewinnt die Beweglichkeit – allerdings auf Kosten des Liegekomforts. Von der Thevo-Matratze hört man Gutes, weil sie diese beiden Bedürfnisse in optimaler Form zu vereinen scheint. Allerdings kann ich auf keine konkreten Aussagen von Benutzern zurückgreifen.
Gut zu überlegen ist auch die Wahl der Bettwäsche. Je weniger Widerstand sie bietet, desto leichter ist das Bewegen. Egal für welche Matratze Sie sich letztlich entscheiden, bestehen Sie beim Kaufgespräch auf der Möglichkeit von Testwochen. Sollte die Matratze dann nicht Ihren Bedürfnissen entsprechen, muss Ihnen das Ausprobieren weiterer Matratzen ermöglicht werden, bis eine passt.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, September 2017
Mein Mann hat seit sechs Jahren Parkinson. Seit einigen Wochen hat er zunehmend Mühe, sich nachts im Bett zu drehen. Ich bin nicht sehr kräftig und es gelingt mir nur mit grosser Anstrengung, ihn auf die andere Seite zu drehen. Dass ich nachts aufstehen muss, um ihm zu helfen, zehrt zudem an meinen Kräften. Was raten Sie uns?
Wenn die Beweglichkeit nachts deutlich schlechter ist als tagsüber, kann eine Optimierung der Medikamente durch den behandelnden Neurologen helfen. Zudem sollte Ihr Mann im Rahmen der Physiotherapie die Bettmobilisation üben. Für Betroffene und Angehörige hilfreich könnte auch das von Parkinson Schweiz angebotene Kinästhetik-Seminar «Leichter mobil im Alltag» sein. In diesem lernen Sie gemeinsam mit Ihrem Mann, wie Sie ihm die zum Umdrehen nötige Unterstützung bieten können, ohne sich selbst körperlich stark zu belasten.
Ein kleines, von vielen Betroffenen als hilfreich empfundenes Hilfsmittel, ist das Rutschtuch. Dieses besteht aus hochgleitfähigem Material, das – doppelschichtig unter den Patienten gelegt – das Umdrehen im Bett massiv erleichtert. Die Stoffschichten gleiten so leicht aufeinander, dass nur ganz wenig Kraft zum Drehen benötigt wird. So können sich die Betroffenen wieder ohne Hilfe im Bett bewegen, was die Angehörigen stark entlastet.
Elisabeth Ostler, Parkinson-Nurse, Juni 2020
Ich bin selber von Parkinson betroffen. Kann ich bei Parkinson Analgetika zur Schmerzbekämpfung nehmen? Ich habe gehört, dass sich die Wirkung der Parkinsonmittel dadurch verringert.
Das Problem der Schmerzen bei Morbus Parkinson (MP) ist komplex. Im Prinzip ist MP nicht schmerzhaft. Trotzdem kann es vorkommen, dass Schmerzen in Form von Muskelkrämpfen, morgendlichen Dystonien der Zehen oder dem Restless-Legs-Syndrom auftreten. Ausserdem kann die Krankheit in Verbindung mit verschiedenen, in diesem Alter nicht seltenen, schmerzhaften Pathologien auftreten wie rheumatischen Schmerzen in den Gelenken und der Wirbelsäule. Interessanterweise moduliert die Einnahme von Medikamenten auf Levodopa-Basis die Schmerzen häufig: starke Schmerzen in der Off-Phase, die in der On-Phase nachlassen bzw. verschwinden.
Durch medikamentöse Behandlung, auch durch Pumpen, oder Tiefe Hirnstimulation können die Symptome stabilisiert und der Schmerz wirksam behandelt werden. Abschliessend bestätige ich Ihnen, dass bestimmte Schmerzmittel einen nachteiligen Einfluss auf die Symptome von MP haben können. Dies gilt vor allem für Opiate, die bei gleichzeitiger Gabe von MAO-B-Hemmern (z. B. Azilect) oder Anticholinergika (z. B. Akineton) ausdrücklich kontraindiziert sind. Ansonsten ist die Einnahme herkömmlicher Schmerzmittel (z. B. Paracetamol oder NSAR) unproblematisch.
Prof. Dr. med. Pierre Burkhard, Juli 2016
Nach jeder Einnahme von Madopar habe ich Schmerzen und Krämpfe. Kann Madopar schaden? Und was kann ich gegen meine Schmerzen tun?
Chronische Schmerzen sind häufig bei der Parkinsonkrankheit und können verschiedene Ursachen haben. Die Behandlung richtet sich nach der Ursache. Schmerzen können als nicht-motorisches Symptom infolge von Parkinson auftreten. Wie Schmerzen bei Parkinson entstehen und wie Dopamin die Schmerzverarbeitung im Gehirn beeinflusst, verstehen wir nur zum Teil. Das wird weiter erforscht.
So können Muskelsteifheit (Rigor) und auch Bewegungsverlangsamung und Immobilität Schmerzen verursachen. Schulter- und Armschmerzen können als Frühzeichen der Erkrankung auftreten, wenn sie gut auf die Therapie ansprechen.
Motorische Fluktuationen bei fortgeschrittener Erkrankung können mit wechselnden Schmerzen einhergehen. In den Off-Phasen kann eine Dystonie – eine unwillkürliche, anhaltende Muskelkontraktion – schmerzen, so z. B. die morgendliche Dystonie des Fusses und/oder des grossen Zehs vor der Medikamenteneinnahme. Schmerzhafte Dystonien treten aber auch im Tagesverlauf auf, wenn die Wirkung der Medikamente nachlässt. Als schmerzhaft können auch Dyskinesien – unwillkürliche abnorme Bewegungen, die bei (zu) guter Medikamentenwirkung auftreten – empfunden werden.
Zu erwähnen sind auch Rücken- und Gelenkschmerzen bei Fehlhaltung sowie nicht-motorische Symptome wie Verstopfung, die Bauchschmerzen verursachen. Schmerzen können auch eine andere Ursache haben als Parkinson, wie Muskel- und Bänderschmerzen oder neuropathische Schmerzen bei peripherer Nervenerkrankung (Polyneuropathie). Eine Verlaufsuntersuchung mit Abklärung möglicher Schmerzursachen kann da weiterhelfen. Hinzu kommen Umstände wie Depression, Ängste, Schlafstörungen und Müdigkeit, die schmerzverstärkend wirken können. Zur Frage, ob Madopar schadet: Es gibt keinen Hinweis auf eine schädliche (toxische) Wirkung von Dopamin. Im Gegenteil, durch die klinische Besserung hat sich die Lebenserwartung gegenüber der Vor-Dopamin-Ära signifikant verlängert.
Als allgemeine Empfehlungen gegen Schmerzen bei Parkinson gelten eine optimale Einstellung der Parkinsontherapie einschliesslich fortgeschrittener Therapieoptionen, konventionelle Schmerztherapien, eine Schmerzsprechstunde. Nicht-medikamentöse Behandlungsansätze bieten die Physiotherapie (Rückenschule) und rheumatische Therapien (Wärme- und Kältebehandlung, Massage, Heilbäder). Alternative Massnahmen wie etwa körperliche Aktivität, Meditation und Achtsamkeit sowie Akupunktur sind ebenfalls hilfreich.
PD Dr. med. David Benninger, März 2020
Ich erhielt vor 15 Jahren die Diagnose «Parkinson». Seit einigen Monaten habe ich oft in Armen und Beinen, manchmal auch im restlichen Körper ein «Surren und Gramseln», sobald ich mich setze oder hinlege. Es ist nicht zum Aushalten. Ich kann mich nicht mehr ausruhen! Was passiert in meinem Körper? Was verhindert die so dringend benötigte Ruhe? Weil mich das aus naheliegenden Gründen brennend interessiert, hoffe ich auf eine Erklärung und, noch wichtiger, einen Rat zur Linderung meiner Beschwerden.
Sensibilitätsstörungen, Schmerzen oder Missempfindungen sind nicht selten auftretende Phänomene beim Morbus Parkinson. Die Ursachen können vielfältig sein wie beispielsweise eine medikamentöse Wirkfluktuation oder ein Restless-Legs-Syndrom. Für mich entscheidend in dieser Situation wäre die Information, ob die Störungen in zeitlichem Zusammenhang mit der Einnahme der Parkinsonmedikamente steht oder z. B. am Abend auftreten.
Das «Surren und Gramseln» kann Ausdruck einer zu tief dosierten Parkinsonmedikation (Off-Phänomen) oder Ausdruck von zu viel Parkinsonmedikation sein. Ein Plan, welche Störungen wann und in welchem zeitlichen Zusammenhang mit der Medikamenteneinnahme stehen, wäre hier sehr hilfreich, um über die weiteren therapeutischen Schritte zu entscheiden.
Dr. med. Georg Kägi, März 2016
Ich leide unter Blutdruckschwankungen. Haben meine Parkinsonmedikamente darauf einen Einfluss? Dürfte ich eventuell ein blutdrucksenkendes Mittel parallel einnehmen?
Die Parkinsonkrankheit wie auch die Medikamente haben einen Einfluss auf den Blutdruck und dessen Regulation. Die Krankheit selbst hat einen Blutdruckabfall im Stehen durch reduzierte Muskelpumpe und Störung der Sympathikusgegenregulation zur Folge. Die dopaminergen Medikamente (Levodopa und Dopaminagonisten) führen zu einer Gefässerweiterung, die diesen Blutdruckabfall im Stehen noch verstärkt (so genannte orthostatische Hypotonie). Dieser teilweise beträchtliche Abfall des Blutdruckes im Stehen kann folgende Symptome bewirken: Schwindel, Nackenschmerzen, Hörstörungen, Stand- und Gangunsicherheit bis zum Sturz (Kollaps).
Perfiderweise besteht oft aber gleichzeitig im Liegen ein erhöhter Blutdruck. Wenn Sie also den Blutdruck (nur) im Liegen messen und aufgrund erhöhter Werte blutdrucksenkende Medikamente einnehmen, werden die Blutdruckwerte im Stehen (fälschlicherweise) auch gesenkt. Das verschlimmert die Beschwerden nur noch und lässt die Gefahr eines Kollapses steigen. Wichtig ist also den Blutdruck im Liegen und Stehen zu messen, bevor man über die Notwendigkeit und Art der Blutdruckbehandlung entscheidet. Besprechen Sie das mit Ihrem Hausarzt.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Bei der Parkinsonkrankheit ist ja vor allem die Motorik betroffen – also die Muskeln. Betrifft das auch das Herz?
Prinzipiell ist schon lange bekannt, dass es bei Parkinson zur Störung der vegetativen Steuerung des Herzens kommen kann. Man spricht von einer «kardialen sympathischen Denervierung». Diese führt unter anderem dazu, dass in Belastungssituationen und bei orthostatischem Blutdruckabfall eine kompensatorische Erhöhung der Herzfrequenz ausbleibt. Es gibt aber auch «indirekte» Effekte, wie mangelnde körperliche Aktivität, im Rahmen der Parkinsonkrankheit, die zu einer Dekonditionierung des Herz-Kreislauf-Systems führen können.
Auch können manche Anti-Parkinson-Medikamente (z.B. Amantadin), besonders in Kombination mit einigen Psychopharmaka (Seroquel, SSRI, tricyclische Antidepressiva), in Einzelfällen zu Herzrhythmusstörungen beziehungsweise einer Verlängerung der Reizüberleitung im Herzen führen. Andere Anti-Parkinson-Medikamente, sogenannte «Ergot-Derivate» (Pergolid, Cabergolin etc.), können eine Fibrosierung (Schrumpfung) der Herzklappen hervorrufen, weshalb sie nur noch in Ausnahmefällen in der Parkinsontherapie eingesetzt werden. Kontrovers diskutiert werden die Ergebnisse einer Studie, laut der es Hinweise auf Häufung von Herzinfarkten und Rhythmusstörungen bei Patienten unter der Einnahme von Entacapon (in den Medikamenten Comtan und Stalevo enthalten) gibt. Dies führte aber nicht zu einer Empfehlung, diese Medikamente nicht mehr oder nur unter Beachtung besonderer Vorsichtsmassnahmen zu verabreichen.
Dr. med. Helene Lisitchkina (Archiv Parkinson Schweiz)
Vor zwei Jahren erhielt ich die Diagnose Parkinson. Damals spürte ich ein Zittern im rechten Zeigefinger und im Daumen, das sich seither ausgedehnt hat. Gibt es Medikamente, die mir helfen können? Zudem leide ich seit Kurzem an Schwindelgefühlen. Gehören diese ebenfalls zu Parkinson?
Auch wenn Parkinson nicht heilbar ist, so können die Symptome dennoch sehr wirksam mit zahlreichen zur Verfügung stehenden Medikamenten behandelt werden. Die Wahl hängt von den jeweils auftretenden Symptomen und anderen Kriterien ab. Ich rate Ihnen, einen Neurologen aufzusuchen, um die Diagnose bestätigen zu lassen und eine medikamentöse Behandlung anzufangen.
Ihre erwähnten Schwindelgefühle gehören nicht zu den hauptsächlichen Symptomen von Parkinson, können aber in gewissen Situationen auftreten. Zum Beispiel kann bei fortgeschrittener Krankheit ein Gefühl von Instabilität auftreten oder es könnte sich um eine orthostatische Hypotonie handeln, d. h. ein Absinken des arteriellen Blutdrucks im Stehen. Schwindelgefühle können aber auch durch ein Problem des Innenohrs hervorgerufen werden, das nicht im Zusammenhang mit Morbus Parkinson steht. Ein Spezialist müsste den Grund Ihrer Schwindelgefühle abklären.
Prof. Dr. med. Pierre Burkhard, Juli 2016
Ich (80) habe seit sieben Jahren Parkinson. In letzter Zeit wird mir immer wieder schwindlig. Hat das mit Parkinson zu tun? Und kann ich etwas dagegen tun?
Das Schwindelgefühl kann mit der Parkinsonkrankheit zusammenhängen. Die Fachleute sprechen von othostatischer Dysregulation. Gleichzeitig können im Laufe des Tages – ausserhalb dieser Episoden – aber auch zu hohe Blutdruckwerte gemessen werden.
Drei wichtige Massnahmen seien hier erwähnt: 1. Stellen Sie sicher, dass Sie genügend trinken, um Ihren Kreislauf zu unterstützen. 2. Sie können mit gut angepassten Kompressiosstrümpfen das Absacken des Blutes in die Beine verringern. Die Strümpfe tragen Sie vom Aufstehen bis zur Nachtruhe. Die Strümpfe sollten von einer Fachperson abgemessen werden. 3. Schlafen Sie mit erhöhtem Oberkörper. Dann ist der Druckunterschied beim Aufstehen geringer.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, September 2020
Seit einiger Zeit habe ich nachts starke Schweissausbrüche. Was kann ich tun?
Schweissausbrüche, über die etwa zwei Drittel der Parkinsonbetroffenen klagen, treten individuell während Blockaden genauso auf wie während Dyskinesien, und das sowohl tagsüber als auch nachts. In jedem Fall sind das Schwitzen, die feuchte Kleidung und Bettwäsche sehr unangenehm. Bei vielen Betroffenen finden die Schweissausbrüche in der Nacht statt, weshalb diese ihre Nacht- und Bettwäsche mehrmals wechseln müssen.
Gegen das unangenehme Gefühl der schweissigen Haut hilft das Tragen von Sport-Funktionswäsche (z. B. Icebreaker) – auch als Nachtkleidung. Deren spezielles Material leitet den Schweiss von der Haut weg an die Kleideroberfläche. Gute Funktionswäsche hat ihren Preis, erhältlich ist sie im Sportgeschäft. Des Weiteren empfehle ich Bettwäsche aus Mikrofaser. Diese ist sehr saugfähig und gibt länger ein trockenes Gefühl. Am Morgen müssen sie diese gut auslüften.
Sie können versuchen, die nächtlichen Schweissausbrüche zu mildern, indem Sie abends 40 Tropfen Salvia einnehmen, aufgelöst in wenig lauwarmem Wasser. Das Salbeipräparat hilft gegen Schwitzen und ist auch für die Mundpflege gut geeignet. Alternativ nehmen Sie 3-mal täglich 5 bis 20 Tropfen ein.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, Juni 2020
Ich nehme seit etwa 10 Jahren Requip®. Ich habe die unruhigen Beine. Jetzt schwitze ich extrem an Kopf, Stirn und Nacken. Was empfehlen Sie mir gegen das Schwitzen?
Einige Parkinsonbetroffene können Probleme mit dem Teil des Nervensystems haben, der das Schwitzen kontrolliert (autonomes Nervensystem). Dies kann zu übermässigem Schwitzen (Hyperhidrose) führen, das häufig bei nachlassender Wirkung des Parkinsonmedikaments auftritt. Manche schwitzen nachts. Übermässiges Schwitzen kann auch in On-Phasen auftreten (wenn die Parkinsonmedikamente gut wirken), insbesondere, wenn Betroffene unkontrollierbare Überbewegungen (Dyskinesien) haben.
Ihr Schwitzen ist vermutlich auf ein Problem des autonomen Nervensystems zurückzuführen und nicht auf das seit Jahren eingenommene Requip®. Übermässiges Schwitzen kann durch diverse Allgemeinmassnahmen besser kontrolliert werden, z. B. Nahrungsmittel oder Getränke vermeiden, die Schwitzen auslösen können (wie etwa würzige Speisen und Alkohol), eher lose Baumwollkleidung tragen, statt enganliegender Kleider oder synthetischem Material.
Dr. med. Ines Debove, Dezember 2019
Ich leide an grünem Star. Kann das mit den Parkinsonmedikamenten zusammenhängen?
Ein Zusammenhang zwischen Parkinsonmedikamenten und grünem Star (Glaukom) ist möglich. Es gibt verschiedene Formen von grünem Star, ebenso gibt es zahlreiche Parkinsonmedikamente. Patienten mit einem so genannten Engwinkelglaukom dürfen keine Anticholinergika (z.B. Akineton) einnehmen. Beim Weitwinkelglaukom dagegen könnten Madopar und Sinemet potenziell schädlich sein.
Es muss festgehalten werden, dass diese Medikamente nicht die Ursache des grünen Stars sind, aber möglicherweise verschlimmernd wirken können. Im Einzelfall muss die Frage der weiteren Parkinsonbehandlung mit dem Neurologen und dem Augenarzt besprochen werden.
Prof. Dr. med. Hans-Peter Ludin (Archiv Parkinson Schweiz)
Ich (62) leide seit fast zehn Jahren an Parkinson. Seit einiger Zeit habe ich das Gefühl, meine Tränen seien «ausgetrocknet», und die Augen sind geschwollen. Wovon kann das kommen?
Trockene Augen können verschiedene Gründe haben. Eine verminderte Tränenproduktion ist bei Parkinson bekannt. Dies kann mit Augentropfen als «Ersatzflüssigkeit» gut behandelt werden.
Ein weiterer Grund kann die bei Parkinson verminderte Lidschlagaktivität sein. Als Folge davon wird die Tränenflüssigkeit nicht regelmässig wie ein Film über die Hornhaut und die Binderhaut verteilt (Wischerfunktion der Augenlider).
Aber auch Augenerkrankungen unabhängig von der Parkinsonkrankheit können zu trockenen Augen führen, so z. B. Bindehautentzündungen (die beschriebenen «geschwollenen Augen» weisen auf eine solche Ursache hin). Deshalb sollten Sie einen Augenarzt konsultieren, damit er die Ursache genau untersucht.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Meine Mutter (60) hat die Diagnose Parkinson. Sie hat immer Vollzeit gearbeitet, derzeit in Schicht als Angestellte. Die Arbeit macht sie enorm müde. Sie arbeitet und schläft – sonst nichts. Wie gehen andere Berufstätige mit Parkinson um? Hat ein arbeitender Parkinsonpatient Kündigungsschutz?
Viele Parkinsonbetroffene, die im Arbeitsprozess sind, weisen auf diese vermehrte Müdigkeit hin. Wir hören oft: «Ich kann zwar noch alles machen, aber alles zusammen schaffe ich nicht mehr.» Es ist wichtig, die Müdigkeit mit dem behandelnden Arzt zu besprechen. So kann ausgeschlossen werden, dass die Müdigkeit auf ein anderes medizinisches Problem als die Parkinsonkrankheit zurückzuführen ist, beispielsweise auf Schlafstörungen.
Eine vermehrte Müdigkeit ist aber schon früh ein charakteristisches Symptom der Parkinsonkrankheit. Betroffene müssen für die gleiche Arbeit viel mehr Energie aufwenden. Mit dem Dopaminmangel werden die gelernten automatischen Bewegungen eingeschränkt und verlangsamt. Diese Bewegungen müssen nun bewusster gesteuert werden. Oder, wie es Betroffene oft sagen: «Ich muss mich vermehrt bei ganz einfachen Bewegungen konzentrieren.» Sie beschreiben, dass der Alltag Ihrer Mutter nur noch aus Arbeiten und Schlafen besteht. Das ist alarmierend. Es könnte zu einer Parkinson-bedingten Erschöpfung und einer plötzlichen 100%igen Arbeitsunfähigkeit führen. Viele Parkinsonbetroffene konnten dieser drohenden Erschöpfung durch eine Teilarbeitsunfähigkeit, die durchaus Sinn macht und ärztlich in der Regel bescheinigt wird, entgehen. Es wäre sicher sinnvoll, diese Situation in einer Fachberatung anzuschauen.
In so einer Beratung werden Fragen zum Versicherungsschutz besprochen. Sinnvoll wäre zu klären, wie der Arbeitgeber und allenfalls die Arbeitskollegen am besten informiert werden. Dies auch im Hinblick, dass alleine wegen einer Diagnose kein Kündigungsschutz besteht. Nur bei einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit besteht ein gewisser Kündigungsschutz in Form einer Kündigungssperrfrist. Die Sperrfrist beträgt maximal 180 Tage und ist im Obligationenrecht Art. 336c definiert.
René Gossweiler, Leiter Bereich Beratung und Bildung Parkinson Schweiz,
September 2019
Ich bin 54 Jahre alt. Vor etwas mehr als zwei Jahren wurde bei mir Parkinson diagnostiziert. Im Moment arbeite ich noch 100%. Mittlerweile bin ich aber am Nachmittag sehr müde und kann meine beruflichen Aufgaben nur mit Mühe bewältigen. Ich beabsichtige, demnächst meine Arbeitszeit um 50% zu reduzieren. Wie muss ich vorgehen? An wen muss ich mich wenden? Wie sieht das finanziell aus?
Vorsicht, reduzieren Sie das Pensum nicht ohne Arztzeugnis. Der erste Schritt wird sein, mit dem behandelnden Arzt die Arbeitsfähigkeit anzuschauen. Für den Arzt ist es hilfreich, wenn Sie ihm beschreiben können, wo und wie Parkinson Ihre Leistung einschränkt. Attestiert er Ihnen eine Teilarbeitsunfähigkeit, geben Sie dieses Zeugnis Ihrem Arbeitgeber. Dieser wird Sie, falls die Firma entsprechend versichert ist, bei der Krankentaggeldversicherung anmelden. Dauert die reduzierte Arbeitsfähigkeit an, sollten Sie innert 6 Monaten eine Anmeldung bei der IV einreichen.
Die finanziellen Folgen sind je nach Situation sehr unterschiedlich. Informationen dazu können Sie im Rahmen einer individuellen Beratung erhalten. Dabei können verschiedene Aspekte des Parkinsons am Arbeitsplatz und das Zusammenspiel der verschiedenen Sozialversicherungen angeschaut werden.
René Gossweiler, Leiter Bereich Beratung und Bildung Parkinson Schweiz,
September 2019
Ich, männlich, habe Parkinson und leide unter erhöhtem Speichelfluss, zuerst wässrig, nun aber zunehmend wie ein fester Tropfen, unangenehm zu schlucken. Was kann ich dagegen tun?
Probleme mit dem Speichelfluss betreffen drei von vier Parkinsonpatienten und erhalten bei Fortdauer der Erkrankung eine zunehmende Bedeutung in der ärztlichen Behandlung. Übermässiger Speichelfluss entsteht wegen verstärkter Speichelansammlung in der Mundhöhle infolge selteneren Schluckens und nicht wie früher angenommen wegen einer vermehrten Speichelproduktion. Speichelansammlung wegen reduzierter Schluckfrequenz, Eintrocknung des Speichels bei Mundatmung und eine im Alter veränderte Speichelzusammensetzung führen zu zähem Schleim in der Mundhöhle und damit zu Schluckproblemen, schlechtem Atem und verstärkter Kariesbildung. Trotz Mundtrockenheit und zähem Speichel kann paradoxerweise ein unkontrollierbares Speicheltropfen auftreten, was für Betroffene und ihr Umfeld zu Schamgefühl und sozialer Isolierung führen kann.
Zur Verbesserung des Speichelflusses gilt es in einem ersten Schritt die Therapie mit Levodopa und Dopaminagonisten so weit zu optimieren, dass möglichst keine motorische Blockierung des Schluckaktes vorliegt. Zur gezielten Behandlung des Speichelflusses kann lokal Botulinumtoxin in die Speicheldrüsen injiziert werden. Die Wirkdauer dieser repetitiven Injektionsbehandlungen beträgt drei bis sechs Monate. Neben Botulinumtoxin werden Tabletten mit anticholinerger Wirkung (Amitriptylin, Biperiden) oder Atropin-Tropfen (unter die Zunge geträufelt) zur Speichelreduktion eingesetzt. Darüber hinaus kann Tee mit Thymian, Kamille und Salbei helfen. Generell sollten Parkinsonpatienten immer Flüssigkeit in greifbarer Nähe haben und an eine genügende Flüssigkeitszufuhr erinnert werden. Vom Salbei können auch frische Blätter gekaut werden. Als homöopathisches Mittel der ersten Wahl gilt Jaborandi.
Neben medikamentösen Behandlungsansätzen gilt es noch ein Schlucktraining mit dem «Schluck-Wecker» zu erwähnen: In täglichen Behandlungen von 30 Minuten wird der Parkinsonpatient alle zwei Minuten von einem Weckersignal an ein bewusstes Schlucken erinnert und erlernt so über eine Behandlungsdauer von einem bis zwei Monaten wieder eine normale Schluckfrequenz. Ich empfehle meinen Parkinsonpatienten wegen dem erhöhten Kariesrisiko regelmässiges Zähneputzen (bei schwerer motorischer Einschränkung mit einer elektrischen Zahnbürste) und Mundspülungen mit desinfizierendem Mundwasser.
Dr. med. Thomas Loher, März 2017
Ich bin Pflegefachfrau und betreue einen älteren, an Parkinson erkrankten Bewohner. Bei ihm ist häufiges massives Verschlucken ein grosses Problem. Wir achten auf gute Sitzhaltung, viel Zeit beim Essen, genügend Ruhezeit, gut sitzende Zahnprothesen, Eindicken der Getränke. Was sonst können wir noch tun?
Schluckstörungen sind ein verbreitetes und ernst zu nehmendes Problem im späteren Krankheitsverlauf. Zunächst sollte mit dem behandelnden Neurologen geklärt werden, ob die Medikation optimal eingestellt ist.
Ich möchte betonen, dass Sie fast alle pflegerischen Massnahmen aufgelistet haben, die bei Verschlucken angezeigt sind. Was ich bei Ihrer Aufzählung ergänzen möchte, ist das Vermeiden von Mischkonsistenzen, z. B. Joghurt mit Fruchtstücken, Suppe mit Einlage. Homogene Ernährung ist sicherer zu schlucken. Die Mahlzeiten sollten in die Phasen der besten Beweglichkeit gelegt werden. Ihr Pflegeteam sollte das Heimlich-Manöver beherrschen.
Wenn sich jemand wiederholt verschluckt, sollte der oder die Betroffene von einer Logopädin oder einem Logopäden untersucht und therapiert werden. Zudem sollte das betreuende Umfeld (Familie, Spitex, Pflegeteam) von der Fachperson genau über die individuellen Massnahmen für mehr Sicherheit beim Essen und Trinken instruiert werden. Bestimmte stimulierende Vorbereitungen vor jeder Mahlzeit können das Schlucken wieder verbessern.
Des Weiteren könnte eine PEG-Sonde (Ernährungssonde) ins Auge gefasst werden. Dies würde es dem Betroffenen erlauben, nur noch jene Nahrung zu sich zu nehmen, die er einigermassen sicher schlucken kann. Getränke und auch die Medikamente könnten komplett über die Sonde verabreicht werden. Die Versorgung mit allem Nötigen wäre gefahrlos gewährleistet und Essen wäre keine tägliche Notwendigkeit mehr, sondern nur noch ein Vergnügen.
Unbestritten ist leider die Tatsache, dass die Aspiration und deren Folgen (Lungenentzündung) die häufigste Todesursache bei Parkinsonbetroffenen ist. Diesem Umstand Rechnung tragend, muss die individuelle Situation des Betroffenen mit ihm und dem Arzt gemeinsam beurteilt werden.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, Juni 2020
Ich leide seit 14 Jahren an Parkinson und hatte seit Beginn einen starken Speichelfluss. Nun habe ich jedoch ständig einen Belag im Mund, gegen den auch Zähneputzen nicht hilft. Selbst nachdem ich beim Zahnarzt war, ist der Belag noch da. Wie soll ich meinen Mund reinigen?
Bei Menschen mit Parkinson kann es häufig zu Problemen in der Mundhöhle kommen, beispielsweise zu Zahnfleischerkrankungen, Entzündungen und Infektionen.
Begünstigt wird dies durch eine Reihe von Umständen, wie verringerte Mund- und Zungenbewegungen, Mundtrockenheit und Schwierigkeiten mit der Feinmotorik, die für die Mundhygiene erforderlich ist.
Gezielte Massnahmen können diesen Problemen entgegenwirken, etwa die Verwendung einer elektrischen oder mit angepasstem Griff ausgestatteten Zahnbürste sowie einer fluoridhaltigen Zahnpasta. Korrekte Zahnputztechniken, eine Mundspülung auf Fluoridbasis und in regelmässigen Abständen auch eine auf Chlorhexidinbasis (kann bei entsprechenden Problemen auch mithilfe von Mundhöhlentupfern angewendet werden) sowie häufige und gründliche zahnärztliche Kontrollen sind ebenfalls entscheidend.
Sehr hilfreich können auch spezifische logopädische Übungen sein, um die Mund- und Zungen-Motorik zu verbessern und auf diese Weise die natürliche Selbstreinigung der Mundhöhle zu fördern.
Dr. med. Daria Dinacci, Oberärztin Clinica Hildebrand Brissago, September 2023
Meine an Parkinson erkrankte Frau spricht in jüngster Zeit derart leise und undeutlich, dass ich sie kaum noch verstehen kann. Wenn ich sie dann bitte, etwas nochmals zu wiederholen, reagiert sie oft gereizt. Diese Situation ist für uns beide belastend, denn wir haben immer lange Gespräche geführt.
Im Lauf der Parkinsonerkrankung kann sich die Sprache verändern. Oft wird sie leiser und undeutlicher. Die Betroffenen selbst bemerken diese Veränderung häufig nicht. Es ist daher für Sie beide wichtig, sich bewusst zu werden, dass die Sprache sich krankheitsbedingt verschlechtert. Gezieltes Üben der Stimmlautstärke, idealerweise mit einer Sprachtherapeutin, kann dazu beitragen, dass die Verständigung wieder besser funktioniert.
Zudem sollten Sie folgende Tipps beachten: Haben Sie Geduld – lassen Sie Ihrer Frau stets genügend Zeit, in Ruhe auf eine Frage zu antworten! Schalten Sie überdies bei Gesprächen störende Nebengeräusche (z. B. Radio oder Fernseher) aus. Fordern Sie Ihre Frau höflich auf, das Gesagte laut zu wiederholen, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Trainieren Sie im Alltag regelmässig und gemeinsam das lautere Sprechen. Sie können beispielsweise in verschiedene Räume gehen und sich etwas zurufen. Auch Telefonieren ist eine gute Übung. Zudem kann Singen die Lautstärke verbessern und die Stimme lebhafter machen.
Eventuell wäre es gut, wenn der behandelnde Neurologe Ihre Frau zu einer Logopädin überweist, die das Lee-Silverman-Voice-Treatment beherrscht. Diese Methode wurde von zwei Sprachtherapeutinnen für die Parkinsonpatientin Lee Silverman entwickelt, weil es deren Familie ähnlich erging wie Ihnen. In unserem Shop können Sie überdies die CD «Logopädieübungen für Parkinsonbetroffene» bestellen. Regelmässiges Training mit der CD hilft, die Stimme lauter und deutlicher zu machen.
Elisabeth Ostler, Parkinson-Nurse, Juni 2016
Ich bin 58 Jahre und lebe seit sieben Jahren mit Parkinson. Es geht mir gut, ich bin aktiv und pflege meinen Freundeskreis. Nun sagt mir ein Kollege, ich würde immer undeutlicher reden. Mir fällt auch auf, dass viele Leute in Unterhaltungen mit mir nachfragen. Hat das mit Parkinson zu tun, und was kann ich tun?
Ja, diese Sprechstörung ist mit grösster Wahrscheinlichkeit Symptom Ihrer Krankheit. Sie tritt häufig und individuell zu sehr unterschiedlichen Zeitpunkten im Verlauf auf: als Erstsymptom oder erst viele Jahre nach Krankheitsbeginn. Die Eigenschaften sind unterschiedlich: die Sprache kann leise, heiser, undeutlich, verwaschen, tonarm und wenig moduliert sein. Leider reagieren diese Sprechstörungen nicht sehr gut auf die Parkinsonmedikamente (Levodopa oder Dopaminagonisten).
Verschiedene Übungs- oder Trainingstherapien aus der Logopädie haben aber eine anhaltende Verbesserung der Sprache und ihrer Verständlichkeit gezeigt (z.B. die so genannte Lee-Silvermann-Methode). Ihr Hausarzt soll Sie bei einer Logopädin anmelden. Sie kann Ihnen Übungen zeigen. Diese können Sie regelmässig zu Hause machen und so die Verständlichkeit Ihrer Sprache verbessern. Prinzip: Üben, üben, üben...
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Ich habe seit rund einem Jahr Parkinson und leide täglich akut unter Sturzgefahr. Ich hatte schon vier schwere Stürze in der Wohnung. Was kann ich tun?
Es ist sehr gut, dass Sie wegen Ihrer häufigen Stürze etwas unternehmen wollen. Erstens sollte Ihr Neurologe davon Kenntnis haben und gegebenenfalls die Medikation überdenken. Allerdings ist bekannt, dass sich bei Parkinson mittels medikamentöser Behandlung Stürze nicht immer reduzieren lassen.
Als zweiten Schritt sollte eine gezielte Physiotherapie verordnet werden. Die Therapeutin wird eine Sturzanalyse durchführen und entsprechende alltagsrelevante physiotherapeutische Massnahmen mit Ihnen erarbeiten. Bei Parkinson kommt es u. a. zum Verlust der automatischen Bewegungen. Es kann helfen Stürze zu vermeiden, wenn Sie lernen, Ihre Beine «bewusst» zu bewegen.
Zudem können Sie Ihre Wohnung auf Stolperfallen hin kontrollieren lassen und entsprechende Massnahmen treffen, wie auf Teppiche verzichten oder Haltegriffe im Badezimmer montieren lassen. Parkinson Schweiz unterstützt das entsprechende Projekt zur Sturzprävention von Rheumaliga und CSS Versicherung «Sicher durch den Alltag» (Informationen: 044 487 40 00, www.rheumaliga.ch/Sturzpraevention).
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, September 2017
Nützt bei der Parkinsonkrankheit ein «Sturztraining»? Und wo gibt es solche Angebote?
Ja, «Sturztraining» nützt bei Parkinson. Wenn die Krankheit fortgeschritten ist, können sich die sogenannten posturalen Reflexe vermindern, die beim Gesunden dafür sorgen, dass man bei schnellen Bewegungen des Rumpfes oder beim Rückwärtsgehen nicht stolpert. Beim Test, ob eine Verminderung dieser Reflexe vorliegt, bittet die Fachperson den Patienten, sich breitbasig hinzustellen, und gibt ihm dann an beiden Schultern von hinten einen Rückwärtsimpuls.
Bleibt der Patient stehen oder fängt sich mit zwei bis drei Rückwärtsschritten auf, ist der Reflex intakt. Reagiert er aber mit mehr Rückwärtsschritten und einer Rückwärtsneigung des Rumpfes, ist der Reflex abgeschwächt bzw. gestört. In dieser Situation hat sich Gleichgewichtstraining bewährt. Dies wird durch die Physiotherapie durchgeführt, und zielt darauf ab, Ausgleichsschritte einzuüben, die bei Sturzgefahr das Stolpern verhindern sollen.
Prof. Dr. med. Ulrich Roelcke, Dezember 2018
Ich bin 73-jährig und männlich. Seit 14 Jahren habe ich Parkinson. Neuerdings stürze ich häufig. Könnte dies zusammenhängen mit einer höheren Dosierung von Rivotril®?
Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Stürze sind nach 14-jährigem Krankheitsverlauf bei Parkinson leider nicht so ungewöhnlich. Trotzdem stellen sich wichtige Fragen, um dies genau beurteilen zu können. 1. In welchem Zustand treten die Stürze auf? In der On-Phase – also bei guter Wirkung der Medikamente – oder in der Off-Phase? 2. Treten die Stürze im Rahmen eines Freezings (Gangblockaden) oder einer Festination (unwillkürliche Gangbeschleunigung) auf oder unabhängig davon? Wenn die Stürze im On-Zustand und unabhängig von Freezing/Festination auftreten, ist wahrscheinlich die posturale Kontrolle gestört. Das heisst, die automatischen Reflexe, die uns normalerweise vor dem Stürzen schützen, sind nicht mehr präzis und schnell genug. Die Therapie dieser Situation ist sehr schwierig und der Fokus liegt v. a. in der Prävention der Stürze mit Physiotherapie und Hilfsmitteln. Treten die Stürze jedoch im Off-Zustand oder im Kontext mit Freezing-Episoden auf, kann durch Anpassung der Therapie einiges verbessert werden.
Ich nehme an, dass Sie das Rivotril® aufgrund einer spezifischen Schlafstörung am Abend einnehmen (REM-Schlafverhaltensstörung). Zumeist reicht da eine sehr kleine Dosis für die Behandlung, die in der Regel keinen relevanten Einfluss auf die Sturzgefahr hat. Hier ist jedoch der Zusammenhang zwischen Beginn der Rivotril®-Therapie und den Stürzen sehr wichtig. Wenn Sie vermehrt stürzen, seit Sie Rivotril® nehmen oder die Dosis erhöht haben, kann das ein Puzzlestein sein, der sich negativ auf die Sturzgefahr auswirkt. Bei Rivotril® gilt sicher die Regel; so viel wie nötig und so wenig wie möglich. Sollte Rivotril® nicht aufgrund einer REM-Schlafverhaltensstörung eingenommen werden, wäre ein Absetzversuch sinnvoll.
PD Dr. med. Georg Kägi, Juni 2020
Im Magazin 131 (S. 13) erschien ein Bericht über die Nebenwirkungen bei der Einnahme von Dopaminagonisten. Die zitierte Studie bestätigt die etablierte Lehrmeinung, die auch in der Auflistung von Nebenwirkungen auf den Beipackzetteln der diversen Hersteller erkennbar ist. Begriffe wie Sucht und Rausch finden dabei reichlich und undifferenziert Verwendung. Könnte man die Nebenwirkungen nicht weniger negativ benennen? Aus Betroffenensicht müssen diese nicht nur negativ sein, oder?
Spielsucht und Kaufrausch können finanziell unangenehme Folgen haben. Nicht selten verschulden sich Patienten und Patientinnen. Kreditkarten müssen gesperrt werden. Auch die Steigerung der Libido in einer Partnerschaft kann störend sein. Weil schambehaftet, werden diese unerwünschten Wirkungen der Dopaminagonisten von Betroffenen oft nicht spontan berichtet. In der Sprechstunde muss deshalb aktiv danach gefragt werden. Doch der Einwand, dass diese psychischen Nebenwirkungen auch positiv sein können, ist berechtigt.
Wenn Betroffene unter Unlust und Apathie leiden, ist die stimulierende Wirkung von Dopaminagonisten willkommen, um Unternehmenslust und Energie zu verbessern. Das ist insbesondere für diejenigen Angehörigen wichtig, für die der Interessen- und Antriebsmangel stärker belastend ist, als für die Betroffenen selbst, was häufig der Fall ist. Auch die Steigerung der sexuellen Lust kann eine Partnerschaft positiv beleben. Zudem ist die Verbesserung des Appetits bei Betroffenen mit niedrigem Körpergewicht wünschenswert. Nicht zuletzt wird die antidepressive Wirkung von Dopaminagonisten genutzt, um gezielt die Stimmung zu verbessern.
Prof. Dr. Stephan Bohlhalter, Juli 2019
Meine Frage bezieht sich auf Parkinson und Sexualität. Kann es sein, dass ich wegen der hohen Dosis Madopar fast impotent bin? Ich nehme 5-mal pro Tag Madopar DR 250 mg (1250 mg), und morgens zudem ein Requip 8 mg.
Viele Parkinsonpatienten sind von sexuellen Beeinträchtigungen betroffen, was eine zusätzliche Abnahme der Lebensqualität zur Folge haben kann. Potenzstörungen können mit den neurodegenerativen Prozessen des (vegetativen) Nervensystems zusammenhängen, oder mit psychischen Begleiterkrankungen, aber auch mit der Einnahme mancher Medikamente wie gewissen Bluthochdruckmitteln oder Antidepressiva.
Madopar und Requip zählen nicht dazu. Im Gegenteil, diese haben eher eine positive Wirkung auf sexuelle Funktionsstörungen, insbesondere wenn man darunter eine Libidoreduktion versteht. Einige Medikamente können das Problem mindern. Es ist wichtig, mit dem Neurologen sowie dem Hausarzt offen darüber zu reden.
Dr. med. Claudio Städler, Juli 2018
Es wird behauptet, Parkinsonmedikamente würden die Spielsucht fördern. Ich bin zwar keine Spielernatur, aber spiele Lotto und habe auch schon im Casino Geld verloren. Riskiere ich nun, mich finanziell zu ruinieren?
Das Hormon Dopamin ist für die Steuerung unserer Bewegungen ein wichtiger so genannter Neurotransmitter. Er wird in den Zellen der Substantia nigra gebildet und übernimmt in verschiedenen Regelkreisen wichtige Funktionen. Funktionieren diese Zellen nicht mehr richtig, entstehen die Symptome der gestörten Beweglichkeit bei Parkinson.
Dopamin hat aber auch wichtige Aufgaben in der Steuerung von Emotionen und anderen Bereichen menschlichen Verhaltens, z.B. wird das Wohlgefühl, das man bei Belohnung empfindet, über dieses Hormon vermittelt. Es scheint auch eine Rolle im Suchtverhalten zu spielen. Es ist daher gut zu verstehen, dass Dopamin, das bei Parkinson als Medikament eingenommen wird, evtl. ein bestimmtes vorbestehendes Suchtverhalten fördern kann.
Aber:
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Was ist allgemein von Akupunktur zur Linderung der Parkinsonsymptome zu halten?
Akupunktur hat eine sehr lange Tradition in der chinesischen Medizin. Sofern die verwendeten Nadeln steril sind, ist die Methode sicher und arm an Nebenwirkungen. Bei chronischen Beeinträchtigungen des Allgemeinbefindens wie z. B. Schmerzsyndromen werden Erfolge berichtet. Zu beachten ist generell das sehr unterschiedliche Ausbildungsniveau der Anbieter.
Im Bereich der Parkinsonkrankheit wird zwischen der Behandlung motorischer und nicht-motorischer Symptome unterschieden. Hinsichtlich der motorischen Symptome steht die dopaminerge Behandlung (Levodopa, Dopaminagonisten) klar im Vordergrund. Auch das aus der traditionellen indischen Medizin bekannte Mucuna pruriens (Juckbohne), deren Wirkung nachgewiesen ist, beruht auf dem Gehalt an Levodopa. Hinsichtlich der Wirkung von Akupunktur auf motorische Symptome der Parkinsonkrankheit gibt es jedoch nur wenige gut kontrollierte Studien, die insgesamt keine verlässlichen Schlussfolgerungen auf eine Verbesserung der motorischen Parkinsonsymptome erlauben. Hinsichtlich des Ansprechens der nicht-motorischen Symptome der Parkinsonkrankheit auf Akupunktur sind mir keine Studien bekannt. Hier wären jedoch die methodischen Schwierigkeiten eines Wirkungsnachweises erheblich grösser, da die Unterscheidung zwischen Placebo- und echtem Effekt komplizierter ist, weil deren Ausprägung subjektiv sowohl von den Patienten als auch von den Behandlern sehr unterschiedlich wahrgenommen wird.
Prof. Dr. med. Peter Fuhr, Februar 2021
Ich habe im Internet gelesen, dass in Indien ein Extrakt aus Bockshornklee in Kombination mit natürlichem L-Dopa aus der Mucuna-pruriens-Bohne zur Therapie von Parkinson eingesetzt wird. Was halten Sie davon?
Levodopa, wie wir es heute für die Behandlung von Parkinson nutzen, wurde um das Jahr 1913 aus den Samen der Saubohne (Viciafaba) isoliert. Seine therapeutische Bedeutung für die Behandlung von Parkinson wurde aber erst viel später erkannt und als Therapie eingeführt. Die ursprüngliche Erkenntnis dieses Heilmittels stammt also, wie übrigens bei vielen anderen heute synthetisch hergestellten Medikamenten auch, aus einer Pflanze.
Die Juckbohne (Mucunapruriens), in der sogar noch mehr L-Dopa enthalten ist als in den Samen der Saubohne, wurde bereits in der ayurvedischen Medizin bei Patienten eingesetzt, von denen man heute denken könnte, dass sie unter Parkinson litten. Es gibt auch kleinere kontrollierte Studien, in denen die Wirkung von Mucunapruriens bei Parkinson untersucht wurde. Dennoch ist es nicht problemlos möglich, von einer synthetisch hergestellten L-Dopa-Therapie auf eine Therapie mit Mucunapruriens umzustellen, weil Parkinson bei jedem Patienten unterschiedlich fortgeschritten ist. Je weiter fortgeschritten die Erkrankung aber ist, desto wichtiger wird es, dass die regelmässig verabreichten Dosen einen identisch hohen Wirkstoffinhalt haben, damit die zu erwartende Wirkung berechenbar ist. Das heisst: Voraussetzung für den Einsatz von Mucunapruriens muss sein, dass bekannt ist, wie viel L-Dopa die eingesetzten Tabletten beinhalten! Ist die Wirkung zu gering, kann es zu einer deutlichen Verschlechterung des Parkinsonsyndroms kommen. Ist die Wirkung zu stark, würde dies die Gefahr des Auftretens von Dyskinesien (unangenehmer Überbeweglichkeit) beinhalten. Die Kosten für die Dosisermittlung werden nach meiner Erfahrung von der Krankenkasse nicht übernommen. Sie liegen je nach Vertreiber bei etwa 40 Euro (60 Franken) für 120 Tabletten. Fazit: Eine Therapie mit Mucunapruriens könnte zwar auch in Europa künftig eine gewisse Rolle in der Parkinsontherapie spielen – doch sind vor einer Zulassung klinische und kontrollierte Studien mit hohen Fallzahlen nötig, um die Wirksamkeit und Sicherheit besser abschätzen zu können.
Der Bockshornklee (Trigonellafoenum-graecum) ist eine Hülsenfrucht, deren Wirkungspotenzial als Ergänzung zu L-Dopa kürzlich von indischen Wissenschaftlern im Rahmen einer Wirksamkeits- und Sicherheitsstudie untersucht wurde. Wie im Fall anderer Medikamentenstudien auch wurde die pflanzliche Substanz zu einer Therapie mit L-Dopa hinzugegeben oder die Patienten erhielten, ohne dass sie es wussten, ein Placebo. Insgesamt wurden 50 Patienten über sechs Monate untersucht. Neben der Abklärung der Wirkung auf die Parkinsonsymptome wurde eine sorgfältige Sicherheitsabklärung mit verschiedenen Blutparametern durchgeführt, um Informationen über mögliche Gefahren für die Patienten zu erhalten. Die Autoren sahen dabei Hinweise auf eine verzögerte Krankheitsentwicklung bei jenen Patienten, welche zusätzlich zu L-Dopa mit der pflanzlichen Substanz behandelt wurden, sowie auch eine gewisse Verbesserung in der Beweglichkeit. Insgesamt ist es aber noch zu früh, um eine eindeutige Aussage über den Einsatz von Bockshornklee treffen zu können. Doch es könnte sein, dass diese Substanz in der Zukunft eine gewisse Bedeutung in der Parkinsontherapie erhält.
Dr. med. Stefan Hägele-Link, April 2021
Gemäss Angaben im Internet ist Cannabis als Medikament erhältlich. Wird Cannabis bei Parkinsonpatienten eingesetzt? Wenn ja, mit welchem Erfolg?
Hanf enthält zahlreiche Inhaltsstoffe wie Cannabidiol (CBD) und Tetrahydrocannabinol (THC). Das Medikament Sativex® ist in der Schweiz zur Symptomverbesserung bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Spastik bei Multipler Sklerose (MS) zugelassen. Und dies in den Fällen, die nicht angemessen auf eine andere antispastische Arzneimitteltherapie angesprochen haben sowie klinisch eine erhebliche Verbesserung von mit der Spastik verbundenen Symptomen während eines Anfangstherapieversuchs aufzeigen. Sativex® untersteht dem Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe. Die Anwendung von Sativex® ausserhalb der zugelassenen Indikation (also z.B. für die Parkinson-Krankheit) bedarf einer Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit.
Hanfprodukte mit einem THC-Gehalt von unter 1% sind nicht dem Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe unterstellt und werden deshalb zunehmend kommerziell verwertet. Eine Übersicht findet sich beim Bundesamt für Gesundheit.
Auch wenn in den Medien mehrere Berichte – u.a. mit Videodokumentation – publiziert wurden, die einen positiven Effekt von Hanfprodukten bei der Parkinson-Krankheit beschreiben, finden sich in der Fachliteratur bisher keine entsprechenden Daten. In vier kleinen kontrollierten Studien konnte kein positiver Effekt auf die Bewegungsstörung bei Parkinson nachgewiesen werden.
Ob Cannabis Dyskinesien reduziert, bleibt fraglich. Aufgrund der vielen Inhaltsstoffe und verschiedener Möglichkeiten, Cannabis zu konsumieren, sollte zuerst dringend untersucht werden, welche Art Hanfprodukte bei Parkinson angewendet werden sollte, bevor überhaupt eine Empfehlung ausgesprochen werden kann. Bislang fehlt jeglicher wissenschaftliche Wirksamkeitsnachweis.
Prof. Dr. med. Carsten Möller, Juli 2017
Vor sechs Jahren habe ich (64) die Diagnose Parkinson erhalten. Nun überlege ich mir, ob eine Tiefe Hirnstimulation (THS) für mich das Richtige wäre. Wie wird abgeklärt, ob das für mich geeignet ist?
Zunächst einmal können Sie selber abschätzen, ob es sich lohnt, weiter in diese Richtung zu denken. Grob gesagt gibt es zwei Situationen, bei denen eine THS bei Parkinsonbetroffenen geprüft wird. Erstens im Falle eines Zitterns (Tremor), das sich mit den Medikamenten nicht genügend gut behandeln lässt. Zweitens bei Betroffenen mit sogenannten motorischen Fluktuationen. Diese zeigen sich durch ein vermehrt rasches Nachlassen der Medikamentenwirkung mit Verlangsamung (Akinese) und Steifigkeit (Rigor), mit oder ohne ungewollte Überbewegungen (Dyskinesien), sobald die Medikamente wirken. Heute denken wir schon viel eher über diese Behandlung nach als früher, als man trotz motorischer Fluktuationen noch lange zugewartet hat.
Ihre Neurologin oder Ihr Neurologe wird dann aufgrund der Gesamtsituation entscheiden, ob Sie an ein THS-Zentrum überwiesen werden können. Dieses klärt mit mannigfaltigen Untersuchungen ab, ob sich die THS für Sie eignet. Dazu gehört unter anderem das Ansprechen Ihrer Parkinsonsymptome auf Levodopa. Aber auch neuropsychologische und psychiatrische Untersuchungen gehören dazu. Erst danach kann die Entscheidung getroffen werden, in letzter Instanz natürlich durch Sie selber.
Prof. Dr. med. Christian Baumann, September 2021
Es scheint verschiedene Arten von THS zu geben. Welche eignet sich bei wem? Und gibt es eine Altersgrenze für den Eingriff?
Bei der Parkinsonerkrankung kommen verschiedene Zielgebiete für die THS zum Einsatz. Darunter versteht man den Ort im Gehirn, wo die Elektrodenspitze hochfrequente Impulse aussendet, um so an genau dieser Stelle die Funktion des Gehirns zu verändern, was zu einer Linderung der Beschwerden führt. Am häufigsten operieren wir heute im subthalamischen Kern, da dies die Verlangsamung, die Steifigkeit und das Zittern verbessert. Nicht selten gibt es auch eine Verbesserung beim Schlaf oder bei Schmerzen, die im Rahmen der Parkinsonerkrankung auftreten. Ausserdem können meistens die Medikamente erheblich reduziert werden.
Ein weiteres Zielgebiet ist der Globus pallidus internus. Mit einer THS an diesem wenig nebenwirkungsanfälligen Ort werden vor allem die Überbewegungen gemindert. Die Medikamente werden in der Regel nicht reduziert. Bei Patienten mit Zittern im Vordergrund wird manchmal auch der Thalamus angesteuert, was aber die anderen Symptome und die Medikamente weitgehend unberührt lässt. Für diese Patienten und Patientinnen kommt vermehrt auch der fokussierte Ultraschall anstelle der THS zum Einsatz.
Die Frage der Altersgrenze wird nicht überall gleich beantwortet. Während in gewissen Ländern und Zentren beispielsweise eine Grenze bei 70 Jahren gesetzt wird, operieren wir in Zürich nach dem biologischen Alter. Mit anderen Worten: Wenn jemand ansonsten gesund ist und eine gute Lebenserwartung hat, behandeln wir auch deutlich ältere Menschen. Vor Kurzem habe ich einen Parkinsonpatienten in der Sprechstunde gesehen, den wir mit 81 Jahren operiert haben. Jetzt, 10 Jahre später, ist er immer noch aktiv und unternimmt mit seiner Ehefrau gerne Reisen.
Prof. Dr. med. Christian Baumann, September 2021
Seit 5 Jahren habe ich (50) Parkinson und interessiere mich für die Tiefe Hirnstimulation (THS). Wie gehe ich vor, damit mein Fall richtig abgeklärt wird?
Im Laufe der Parkinsonerkrankung kann es zum Punkt kommen, wo die oralen medikamentösen Therapieoptionen ausgeschöpft sind. Das therapeutische Fenster zwischen Unterbeweglichkeit und Überbeweglichkeit wird immer kleiner. Dann muss an invasive Therapien gedacht werden, und dazu gehört auch die THS. In dieser Situation sollte aber auch an andere Therapieoptionen wie z. B. die Apomorphin-Therapie subkutan (unter die Haut) oder eine intrajejunale Infusion (in den Dünndarm) von L-Dopa (Duodopa) gedacht werden. Beide Therapieoptionen werden durch kontinuierliche Gabe über ein externes Pumpensystem verabreicht. Diese invasiven Therapien werden in der Schweiz an einigen, spezialisierten Zentren angeboten.
Dort kann differenzialdiagnostisch geprüft werden, ob Patienten oder Patientinnen für eine dieser Therapien geeignet sind. Oft wird dies im Rahmen eines kurzstationären Aufenthalts durchgeführt, um interdisziplinär (Neurologie, Neurochirurgie, Psychiatrie, Neuropsychologie, Logopädie, Physiotherapie, Neuroradiologie) sorgfältig die einzelnen Indikationen prüfen zu können. Es ist wichtig, sich diese Zeit zu nehmen, um gemeinsam mit Betroffenen und Angehörigen die richtige Entscheidung zu treffen. Alle genannten Therapien können die Lebensqualität der Parkinsonbetroffenen langfristig deutlich verbessern und sind in kontrollierten Studien gut untersucht. Auch wenn die Risiken bei diesen Eingriffen gering sind, muss immer sorgfältig geprüft werden, ob die Lebensqualität der Betroffenen so eingeschränkt ist, dass die Risiken des Eingriffs gerechtfertigt sind.
Dr. med. Stefan Hägele, Juni 2021
Ich habe gehört, dass man nach einer THS zunimmt, vor allem die Frauen. Stimmt das? Falls das stimmt, warum ist das so? Was kann ich dagegen tun?
Nach der Behandlung mit THS kommt es tatsächlich oft zu einer Gewichtszunahme. Die Ursachen dafür werden kontrovers diskutiert. Einerseits führt die drastische Verbesserung der Überbewegungen (Dyskinesien) und der Muskelsteifigkeit (Rigor) zu einem geringeren Kalorienverbrauch. Andererseits werden auch Mechanismen diskutiert, die möglicherweise direkt mit dem Energiehaushalt zu tun haben, das ist aber nicht gesichert und wahrscheinlich nicht von Bedeutung.
Da die Gewichtszunahme v. a. nach subthalamischer Stimulation auftritt, ist eine mögliche Erklärung eine Veränderung des Essverhaltens. Bei dieser Art der Stimulation kommt es oft zu einer – meistens diskreten – Zunahme der Impulsivität. Die Patienten sind etwas spontaner, extravertierter, impulsiver, was durchaus wünschenswert sein kann. Die Selbstkontrolle über das Essverhalten ist damit aber etwas weniger erfolgreich. Dazu kommt, dass gewisse Parkinsonmedikamente, die sog. Dopamin-Agonisten, ganz gezielt die Lust auf manche Speisen (v.a. Süssigkeiten) und aufs (nächtliche) Naschen steigern.
Die Kombination von vermehrter Esslust mit verminderter Impulskontrolle ist wahrscheinlich der entscheidende Faktor für die Gewichtszunahme nach subthalamischer THS. Die Remedur ist 1. Optimierung der Stimulationseinstellung, 2. Senkung der Dosis der Dopamin-Agonisten und am wichtigsten: 3. eine Diät. Ohne positive Kalorien-Bilanz kommt es nie zu einer Gewichtszunahme. Das heisst, eine Diät ist langfristig immer erfolgreich, wenn auch nicht einfach.
PD Dr. med. Michael Schüpbach, Dezember 2018
Mein Arzt hat vor kurzem Akineton abgesetzt. Seither hat sich mein Zustand verschlechtert, ich zittere viel mehr und leide unter starkem Speichelfluss. Muss ich damit leben?
Akineton hat tatsächlich eine gute Wirkung auf das Zittern und den vermehrten Speichefluss bei Parkinson. Diese beiden Symptome sind eigentlich die einzigen Gründe, dieses Medikament heutzutage überhaupt noch in der Parkinsonbehandlung einzusetzen. Denn insbesondere bei älteren Patienten kann Akineton viele unangenehme und sogar gefährliche Nebenwirkungen haben, unter anderem Verwirrtheit, Halluzinationen, Müdigkeit, Schwindel, Stürze, Harnverhalt, Magenbeschwerden, Verstopfung, Sehstörungen, trockener Mund und andere mehr.
Man müsste wissen, welche Gründe Ihren Arzt veranlassten, das Akineton zu stoppen. Eventuell würden auch nur kleine(re) Akineton-Dosen genügen, um ihre Beschwerden positiv zu beeinflussen. Andererseits gibt es andere Massnahmen, um den Tremor zu lindern oder den verstärkten Speichelfluss zu bremsen. Besprechen Sie diese Probleme mit Ihrem Arzt.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Mein Vater ist 75 Jahre alt. Wenn er etwas handwerklich arbeitet, zittert er. Wenn er aber nichts tut, zittert er nicht. Ist das typisch für Parkinson?
Typisch für eine Parkinsonkrankheit ist, dass das Zittern (Tremor) in Ruhe auftritt und sich rechts und links nicht symmetrisch äussert. Sie beschreiben, dass der Tremor bei Ihrem Vater bei handwerklichen Arbeiten und nicht in Ruhe auftritt. Dies kann auf einen sogenannten essentiellen oder familiären Tremor hinweisen. Auch hormonelle Störungen (zum Beispiel eine Überfunktion der Schilddrüse) oder Medikamente können den von Ihnen beschriebenen Tremor auslösen. Wenn kein Ruhetremor vorliegt, sollte die Situation primär durch den Hausarzt beurteilt werden. Wenn dieser keine Ursache findet, muss ein Neurologe beigezogen werden. Dieser kann das Vorliegen eines essentiellen oder familiären Tremors beurteilen und eine medikamentöse Behandlung prüfen.
Prof. Dr. med. Ulrich Roelcke, März 2022
Zittern gilt als eines der ersten sichtbaren Symptome der Parkinsonerkrankung. Dopamin ist für die körperliche Bewegung zuständig. An Dopamin besteht aber ein Mangel. Warum zittern die Erkrankten, wenn ihnen Dopamin fehlt?
Die genaue Entstehung des Zitterns bei der Parkinsonerkrankung ist bis heute nicht endgültig geklärt und wird weiterhin erforscht. Die Parkinsonerkrankung ist fortschreitend und geht mit einem stetigen Verlust von Nervenzellen einher, die Dopamin enthalten. Dopamin ist ein Botenstoff, der von den Nervenzellen im Gehirn benutzt wird, um die einzelnen Bewegungsabläufe über die unterschiedlichen Schaltkreise des Gehirns (Basalganglien) so präzise wie möglich zu steuern.
Durch den Abbau von Dopamin kommt es zu einem Ungleichgewicht der unterschiedlichen Botenstoffe im Gehirn. Das Überwiegen anderer Botenstoffe (u.a. Acetylcholin und Glutamat) hat eine vermehrte Aktivierung von Schaltkreisen zur Folge, die normalerweise durch Dopamin im Gleichgewicht gehalten werden. Hierdurch wird bei Zunahme der Erkrankung das Zittern erzeugt.
Dr. med. Ines Debove, Dezember 2019
Mein Vater ist 79 Jahre alt. Er zittert, wenn er etwas handwerklich arbeitet. In Ruhe zittert er aber nicht. Ist das ein typischer Parkinsontremor? Hat er Parkinson?
Der typische Parkinsontremor, gerade auch zu Beginn der Parkinsonkrankheit, ist ein Ruhetremor, das heisst, er tritt bei entspannter Muskulatur, beispielsweise im Sofa vor dem Fernseher, auf. Das Parkinsonzittern beginnt meist an den Händen und zwar asymmetrisch, das heisst, es ist nur an einer Hand zu beobachten (jedenfalls zu Beginn der Krankheit).
Es ist immer wieder beeindruckend zu beobachten, wie der typische Parkinsontremor, selbst wenn er stark ausgeprägt ist, verschwindet, sobald der Betroffene eine Bewegung ausführt. Beispielsweise, wenn er zu einem Trinkglas greift und dieses dann zielsicher und ohne einen Tropfen zu verschütten, zum Mund führt. Die Patienten berichten auch, dass dieser Tremor sie beim Verrichten selbst komplizierter Handarbeiten nicht behindert – zu Beginn jedenfalls. Der Tremor ist ja auch nicht das Hauptsymptom der Parkinsonkrankheit und auch keineswegs bei allen Patienten anzutreffen.
Insgesamt also ist es eher unwahrscheinlich, dass Ihr Vater Parkinson hat. Um allerdings die Diagnose definitiv auszuschliessen und auch, um die Tremorursache zu klären, ist zwingend eine detaillierte fachärztliche neurologische Untersuchung nötig.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Ich habe seit ein paar Wochen Magenbrennen. Ich nehme Sifrol und seit drei Monaten auch L-Dopa. Hat das etwas mit Parkinson zu tun?
Magenbrennen kann verschiedene Ursachen haben. Ein Zusammenhang mit Parkinsonmedikamenten ist möglich. Meist tritt diese Nebenwirkung am Anfang der Behandlung auf und sie klingt innerhalb weniger Wochen wieder ab. Es gibt zahlreiche Medikamente, mit denen Magenbrennen bekämpft werden kann. Falls ein Zusammenhang mit Parkinsonmedikamenten wahrscheinlich ist, kann die vorübergehende Einnahme von Motilium® hilfreich sein.
Prof. Dr. med. Hans-Peter Ludin (Archiv Parkinson Schweiz)
Mein Lebenspartner – er ist 60 Jahre alt und hat seit 10 Jahren Parkinson – hat seit einiger Zeit Magenprobleme. Er erbricht und fühlt sich unwohl. Zudem wird er gegen einen tiefen Blutdruck behandelt. Seine Magenprobleme haben sich nicht gebessert, obwohl er Motilium® nimmt. Was sollen wir tun?
Magenprobleme oder Verdauungsprobleme sind ein häufiges und wichtiges Thema bei Parkinsonpatienten. Es gilt, eine gewisse Systematik bei der Abklärung und Behandlung zu verfolgen. Als Erstes sollten andere Ursachen im Magen ausgeschlossen werden, welche die Übelkeit und die Magenschmerzen erklären könnten. Hier sollte eine Magenspiegelung ins Auge gefasst werden. Bei der Magenspiegelung wird auch das Vorhandensein eines Infekts mit Helicobacter pylori abgeklärt. Ein solcher Infekt kann gut behandelt werden und wird in neuester Zeit mit einer schlechteren Aufnahme von L-Dopa in Verbindung gebracht.
Wenn diese Untersuchung keine Erklärung liefert, gilt das Augenmerk den Medikamenten und deren Nebenwirkungen. In dieser Situation ist die beste Strategie, bei einer Substanz (L-Dopa) zu bleiben und gegebenenfalls andere Parkinsonmedikamente durch L-Dopa zu ersetzen. L-Dopa hat hier sicherlich das beste Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil. Die Zugabe von Domperidon (Motilium®) in ausreichender Dosierung (3 x 10 mg/d) ist eine gute Idee, da es die Magenmotilität fördert. Die Maximaldosis von Motilium® gemäss Compendium ist 30 mg pro Tag. Im Kontext einer Gastroparese (Bewegungseinschränkung des Magens) sind teilweise auch höhere Dosen nötig (3 x 20 mg/d). Die Gastroparese ist Ausdruck der Beteiligung des vegetativen Nervensystems. Ein weiterer Hinweis, dass bei Ihrem Lebenspartner das vegetative Nervensystem relevant beeinträchtigt ist, sind die Blutdruckprobleme.
Man sollte grundsätzlich auch die Option einer Tiefen Hirnstimulation prüfen. Mit 60 Jahren und 10-jährigem Krankheitsverlauf wäre die Indikation wahrscheinlich gegeben. Der Nutzen der Tiefen Hirnstimulation wäre, dass die Medikamente reduziert werden könnten, und damit – zumindest teilweise – auch die Gastroparese.
PD Dr. med. Georg Kägi, Juni 2020
Ich bin als Pflegefachfrau in einer Spitex tätig. Einer meiner an Parkinson erkrankten Klienten leidet seit Kurzem an täglicher Stuhlinkontinenz. Können Sie mir sagen, wie ich ihm die Situation erleichtern kann?
Durchfälle bei Parkinson sind eher selten. Ich gehe davon aus, dass der Hausarzt die üblichen Ursachen von Durchfall bereits ausgeschlossen hat. Bei der von Ihnen beschriebenen Stuhlinkontinenz mit unkontrolliertem täglichem Stuhlverlust könnte es sich um sogenannten paradoxen Durchfall handeln. Das bedeutet, dass der Enddarm übervoll ist mit hartem, zu Bällen geformtem Stuhl, welcher nicht mehr spontan ausgeschieden werden kann. Der nachfolgende, noch nicht verfestigte Darminhalt fliesst zwischen diesen Kotbällen unkontrollierbar nach aussen, da der Schliessmuskel nicht mehr genügend Kraft hat, komplett zu verschliessen. Solcherart erklären sich die meisten Zustände von analer Inkontinenz bei Parkinson.
Die Lösung des Problems heisst Entleeren des Enddarms (hoher Einlauf, manuelles Ausräumen). Gleichzeitig muss mit der regelmässigen Einnahme von Stuhlweichmachern (Transipeg forte oder Movicol) verhindert werden, dass der Darminhalt erneut so stark austrocknen kann. In einigen Fällen benötigen die Patienten regelmässige Einläufe, um den Enddarm zu entleeren.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, Juni 2020
Seit 4 Jahren leide ich an Parkinson. Seither bin ich zunehmend von Verstopfung geplagt. Gehört das zur Krankheit und was kann ich dagegen tun?
Es bestehen zwei Gründe, warum bei Parkinsonpatienten Verstopfung entsteht. Einerseits ist die Bewegung der Darmmuskulatur durch die Krankheit selbst verringert. Andererseits verursachen die meisten Parkinsonmedikamente Verstopfung. Daher klagen sehr viele Patienten über entsprechende Probleme.
Die Verstopfung kann in zwei unterschiedliche Arten eingeteilt werden: Von «Passage-Obstipation» spricht man, wenn – wie der Name sagt – der ganze Weg des Darminhalts durch den Dickdarm viel zu lange dauert und dieser deshalb zu fest wird. Bei der «Enddarm-Obstipation» ist hingegen die Passage (Dauer und Konsistenz) des Darminhaltes normal. Es kommt erst ganz am Ende des Weges zu Eintrocknung und Verhärtung des Stuhls.
Für die gute Aufnahme der Medikamente ist eine geregelte Verdauung notwendig. Achten Sie daher darauf, dass Sie mindestens alle 3 Tage, besser noch alle 2 Tage, den Darm entleeren können. Besteht Verstopfung trotz konventioneller Massnahmen wie ausreichender Bewegung, ballaststoffreicher Ernährung und genügender Flüssigkeitsaufnahme (1,5 bis 2 Liter täglich), sollten Sie nicht zu lange zögern, die Verdauung medikamentös zu unterstützen.
Bei Passage-Obstipation sind Stuhlweichmacher sinnvoll (z. B. Movicol, Transipeg forte). Stuhlweichmacher nimmt man regelmässig ein (1- bis 3-mal täglich); im Unterschied zu Ausstossmitteln wie Feigensirup, Midrotee, Laxoberon und wie sie alle heissen, die alle 2 bis 3 Tage Sinn machen, um keine Gewöhnung zu provozieren. Gegen die Enddarm-Obstipation eignen sich Massnahmen, die den Enddarm befreien (Zäpfchen, Mikroclyss, Klistiere). Bei regelmässiger Einnahme eines Weichmachers erübrigen sich nicht selten alle anderen Abführmittel.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, Juni 2020
Bei meiner Schwiegermutter wurde mit 56 Jahren Parkinson festgestellt. Auch einer ihrer Brüder hatte Parkinson. Mein Mann lebt seit dem 44. Lebensjahr mit Parkinson. Nun machen sich unsere beiden Söhne Sorgen, ebenfalls Parkinson zu bekommen. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit?
In der Genetik vom Morbus Parkinson gibt es einerseits Veränderungen, die lediglich einen Risikofaktor für die Erkrankung darstellen, und andererseits solche, die sich wie bei einer Erbkrankheit verhalten. Bei einem Krankheitsbeginn unter 40 Jahren wird eine vererbbare Form möglich, ist aber immer noch unwahrscheinlich. Bei einem Krankheitsbeginn unter 30 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit – und beträgt gar ca. 50% bei einem Krankheitsbeginn unter 21 Jahren. Ansonsten gilt Parkinson als nicht erbliche Krankheit. In der Familie Ihres Mannes gibt es nun 3 erstgradige Verwandte, die an einem Parkinson erkrankt sind. Eine erbliche Form des Parkinson ist hier sicherlich möglich, aber noch nicht bewiesen.
Ich empfehle eine genetische Beratung und allenfalls Testung auf die dominant vererbbaren Gene (v. a. LRRK2, VPS35) bei Ihrem Mann. Beim Vorhandensein einer Mutation in einem dieser bekannten Gene könnte das Erkrankungsrisiko Ihrer Söhne genauer benannt und allenfalls sogar getestet werden.
Dr. med. Georg Kägi, März 2016
Was gehört zu den aufwändigen genetischen Untersuchungen, um die Vererbbarkeit von Parkinson zu überprüfen? Ich, weiblich, leide unter Parkinson und möchte abklären, ob meine Kinder die Krankheit ebenfalls bekommen können.
Es sind erst einige Veränderungen im Erbgut mit einem familiären Erbgang bekannt. Eine genetische Abklärung erscheint daher nur sinnvoll bei frühem Krankheitsbeginn vor dem 45. Lebensjahr oder bei einer familiären Häufung. Dem Entscheid zu einer genetischen Testung folgt das Beratungsgespräch mit einem Genetiker, der auch die Folgen eines positiven Resultates auf Familienmitglieder – wie hier Ihre Kinder – diskutiert, insbesondere, falls diese erwachsen sind und selbst Kinder wünschen.
In einer ganzheitlichen Betrachtung hat die Genetik wesentlich zum besseren Verständnis von Parkinson beigetragen. Diese genetische Abklärung kann Ihnen als Betroffene möglicherweise lediglich beschränkt Antworten geben. Doch die entsprechende Forschung ist nur dank der persönlichen Bereitschaft von Betroffenen und ihren Familien möglich.
PD Dr. med. David Benninger, Dezember 2016
Meiner Mutter geht es seit der Diagnose vor fünf Jahren zunehmend schlechter. Wenn möglich bin ich bei Arztbesuchen dabei. Sie erhält sehr viele verschiedene Medikamente, und es wird immer schwieriger, den Überblick zu behalten. Ich schreibe alles auf und drucke jeweils eine Medikamentenliste aus. Zur Behandlung von Parkinson wird häufig von einer intensiven Zusammenarbeit zwischen Patient und Arzt gesprochen. Was ist damit gemeint?
Nach einigen Jahren wird der Verlauf der Parkinsonkrankheit häufig zur Herausforderung – auch für die Spezialistinnen und Spezialisten. Der Informationsaustausch zwischen den Fachleuten der Neurologie und Patientinnen und Patienten ist sehr wichtig. Dabei kommt es weniger auf die Häufigkeit als auf die Qualität der Konsultation an. Es ist unerlässlich, dass die betroffene Person der Neurologin oder dem Neurologen zurückmeldet, wie die Verordnung gewirkt, was sich verbessert oder verschlechtert hat. Dies dient dem Ziel, den Fachleuten eine möglichst gute Grundlage für die weiteren Verordnungen zu bieten und allenfalls die Behandlung anzupassen. Hilfreiche Instrumente für die Kommunikation mit der Neurologin oder dem Neurologen sind der Befindlichkeitsspiegel (darin können die nicht-motorischen Symptome erfasst werden) und das Parkinson-Tagebuch (zur Protokollierung der Medikamenteneinnahme und der Beweglichkeit); beide sind kostenlos bei Parkinson Schweiz zu beziehen.
Elisabeth Ostler, Parkinson-Nurse, September 2022
Können sich Parkinsonkranke problemlos gegen Corona impfen lassen?
Jede Form einer zusätzlichen Erkrankung – sei es eine Operation oder eine Infektion – führen erfahrungsgemäss zu einer Verschlechterung der Parkinsonsymptome. Dies umso mehr, je älter ein Mensch und je fortgeschrittener die Erkrankung ist. In den meisten Fällen verläuft eine Covid-19-Erkrankung harmlos. Kommt es aber zu einem schwereren Krankheitsverlauf, kann dies insbesondere für ältere Menschen sowie für Patienten oder Patientinnen mit einer chronischen, neurodegenerativen Erkrankung auch lebensbedrohlich werden. Die Erkrankung an Covid-19 und die schweren Verläufe können nach allem, was wir derzeit wissen, meistens durch eine Impfung verhindert werden. Spezielle Nebenwirkungen der Impfung – neben den bekannten – sind bei Parkinsonbetroffenen nicht zu erwarten.
Das heisst zusammenfassend, dass eine Impfung gegen eine Coronavirus-Infektion bei Parkinsonbetroffenen zu empfehlen ist.
Dr. med. Stefan Hägele, Juni 2021
Ich habe ständig einen starken Druck im Kopf, Druck hinter den Augen und das Gefühl, immer einen starken Kater zu haben. Mir wurde gesagt, beim atypischen Parkinson sei das normal. Stimmt das?
Das würde ich so pauschal nicht mit Ja beantworten. Druck im Kopf oder hinter den Augen gehört eigentlich nicht zu den typischen Symptomen, weder bei einem idiopathischen noch bei einem atypischen Parkinsonsyndrom. Als mögliche Ursachen dieser Beschwerden fallen mir spontan eine Erhöhung des Augeninnendruckes, eine chronische Entzündung der Nasennebenhöhlen, eine Blutdruckerhöhung oder ein raumfordernder Prozess im Kopf ein.
Wenn alle diese Erkrankungen ausgeschlossen sind, können Kopfdruck und Schwindel auch Symptome einer depressiven Störung sein. Das heisst, der Körper entwickelt Symptome aufgrund eines seelischen Ungleichgewichts, etwa als Folge der nicht befriedigenden Krankheitsverarbeitung. Sprechen Sie doch auf jeden Fall mit Ihrem Neurologen, ob alle möglichen Ursachen für die Symptome bedacht wurden und ob dann versuchsweise eine antidepressive Behandlung möglich wäre.
Dr. med. Matthias Oechsner, September 2016
Mein Mann hat seit 12 Jahren Parkinson. Seit einiger Zeit hat er gerötete, schuppige Hautstellen im Gesicht. Auch im Bart und auf dem Haarboden wachsen Schuppen. Wissen Sie mir einen guten Rat?
Das Auftreten von Hautveränderungen ist bei Parkinsonbetroffenen leider keine Seltenheit. Dabei kann die Haut schuppig, salbig und oft auch leicht gerötet sein. Diese Veränderungen sind als Seborrhoische Dermatitis bekannt.
Durch eine verstärkte Talgsekretion entwickelt sich bei manchen Parkinsonpatienten das typische «Salbengesicht». Dieses Symptom kann durch eine gute medikamentöse Einstellung deutlich gemindert oder sogar zum Verschwinden gebracht werden. Gelingt dies nicht, ist für die Betroffenen eine sorgfältige Hautpflege unverzichtbar. Zudem ist – da meist nicht nur die Gesichtshaut, sondern auch die Kopfhaut unter abnormal starker Talgsekretion leidet – für die Betroffenen häufiges Haarewaschen nötig, um nicht ungepflegt zu erscheinen
Waschen Sie das Gesicht 2-mal täglich gründlich mit ph-neutraler Seife (z. B. Dermed-Waschlotion). Sehr wichtig ist das anschliessende Abtrocknen. Dabei rubbeln Sie die abgestorbenen Hautschuppen ab. Die Hautpflege soll mit einer Feuchtigkeitscreme (Hydrolotion), die keine oder nur wenig Parfümstoffe enthält, gemacht werden. Auf die betroffenen Hautstellen kann für die Dauer einiger Tage punktuell eine Kortison-haltige Salbe (Hydrocortison) aufgetragen werden, die der Arzt verordnen müsste.
Für die Haarwäsche benutzen Sie am besten ein Seborrhoe-Shampoo (z. B. Ektoselen). Dieses gibt es in der Drogerie.
Waschen Sie damit die Haare täglich, bis eine deutliche Besserung sichtbar ist, dann reduzieren Sie die Waschfrequenz auf jeden zweiten bis dritten Tag. Bei ungenügender Wirkung könnte Ihnen Ihr Arzt Betnovate Scalp Lotion verordnen.
Alle beschriebenen Massnahmen bekämpfen nur die Symptome. Bei Absetzen der Massnahmen, bei besonderer Belastung oder bei Stress wird sich die Haut früher oder später wieder verändern. Daher sollten Sie die beschriebene Hautpflege konsequent anwenden. Auf den Gebrauch der Kortison-haltigen Pflegemittel (Kortisonsalbe, Betnovate Scalp Lotion) sollten Sie allerdings nur bei Wiederaufflammen der Hautprobleme zurückgreifen.
Es ist aber möglich, dass die von Ihnen beschriebenen Hautausschläge eine andere Ursache haben. Ich rate Ihnen, die Situation mit Ihrem Arzt zu besprechen und eventuell auch einen Dermatologen zu konsultieren.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, Juni 2020
Kann sich Parkinson auf die Handschrift auswirken?
Eine Veränderung der Handschrift kann durch verschiedene Hirnerkrankungen ausgelöst werden. Bereits vor mehr als 100 Jahren haben dies Neurologen im Zusammenhang mit der Parkinsonerkrankung beschrieben. Gelegentlich ist eine Veränderung der Handschrift auch das erste Parkinsonsymptom, das Betroffenen selber auffällt.
Früher sprach man dabei von der Parkinson-«Mikrographie», also dem Phänomen, dass die Schrift vor allem kleiner wurde. Inzwischen kann die Handschrift während des Schreibens mit elektronischen Hilfsmitteln genauer analysiert werden. Dabei fällt auf, dass auch die Schreibgeschwindigkeit oder die Beschleunigung verändert sind. Bei einem Teil der Betroffenen sind die Buchstaben nicht immer gleich gross, sondern sie werden während des Schreibens kleiner. Gerade dieses Phänomen ist durch Medikamente schwerer zu behandeln. Es gibt jedoch erste Hinweise, dass mit einer gezielten Ergound Physiotherapie die Handschrift verbessert werden kann.
Dr. med. Tobias Piroth, März 2023
Mein Mann und ich leben seit zwölf Jahren mit seiner Parkinsonkrankheit. In den letzten Monaten ist die Belastung für mich so gross geworden, dass wir die schwere Entscheidung getroffen haben, den Zeitpunkt für den Heimeintritt nicht mehr länger hinauszuschieben. Nun fragen wir uns, wie wir das passende Pflegeheim für meinen Mann finden.
Bei der Wahl der Institution lohnt es sich, folgende Fragen zu stellen.
Wie weit ist es von zu Hause bis zum Heim und wie ist die Anbindung an den ÖV?
Diese Fragen sind wichtig, wenn Sie vorhaben, Ihren Mann regelmässig zu besuchen. Auch für Besucher aus Freundes- und Kollegenkreis spielt die Erreichbarkeit eine Rolle.
Verfügt das Heim über Pflegewissen zu Parkinson?
Viele Angehörige befürchten, dass Pflegepersonen in der Betreuung Fehler passieren. Pflegekompetenz bei Parkinson ist deshalb wichtig. Eine 1:1-Betreuung wie zu Hause ist allerdings in keinem Heim möglich.
Kann gewährleistet werden, dass der oft komplizierte Medikamentenplan eingehalten wird?
Es ist ganz wichtig, dass das Personal versteht, welchen Einfluss Unpünktlichkeit bei der Medikamentengabe für den Betroffenen haben kann.
Darf ich als Partnerin teilzeitlich Verantwortung übernehmen?
Vielleicht haben Sie den Wunsch, mit Ihrem Partner für einige Stunden das Heim zu verlassen und etwas Schönes mit ihm zu unternehmen oder sogar ein Wochenende mit ihm zu Hause zu verbringen.
Elisabeth Ostler, Pflegefachfrau HF, Parkinson-Nurse, Leiterin Fachbereich Pflege März 2022
Ich habe einen Patienten mit Kamptokormie, der bekanntlich nicht auf die dopaminergen Medikamente anspricht. Er leidet stark an seinem hängenden Kopf. Würde eine Tiefe Hirnstimulation (THS) bei dieser schweren Beeinträchtigung nützen? Was empfehlen Sie bei der Kamptokormie?
Die Kamptokormie kann ein besonders belastendes Symptom im Rahmen einer Parkinsonerkrankung sein. Typischerweise kommt es zu einer ausgeprägten Vorwärtsneigung der thorakolumbalen Wirbelsäule, die während des Gehens zunehmen kann und im Liegen verschwindet. Diese Beschwerden werden zusätzlich durch Osteoporose verschlimmert, die ebenfalls häufig bei Parkinsonpatienten und -patientinnen vorkommt. Es gibt Hinweise dafür, dass der Kamptokormie eine Schwäche der Rückenstreck-Muskulatur zugrunde liegt. Dafür sprechen Veränderungen in dieser Muskulatur, wie sie in Biopsien gefunden wurden. Dies wäre also ein Hinweis auf eine neuromuskuläre Erkrankung in der Peripherie des Menschen. Demgegenüber steht die Hypothese einer vermehrten Aktivität der Bauchmuskulatur – wie bei einer Dystonie –, die eigenständig, aber auch im Rahmen der Parkinsonerkrankung vorkommen kann. Damit vereinbar wäre die Tatsache, dass z. B. das Tragen eines Rucksacks die Beschwerden verbessern kann, was dem Phänomen der geste antagoniste entspricht.
Levodopa kann die Beschwerden positiv beeinflussen, ist aber oft nicht ausreichend wirksam. Der Einsatz von Dopaminagonisten kann die Kamptokormie sogar verschlechtern. Kürzlich wurde eine kleinere Studie veröffentlicht, bei der die Tiefe Hirnstimulation im Globus pallidus internus eingesetzt wurde, also in dem Zielpunkt, der auch für die Behandlung der Dystonie genutzt wird. Nicht alle Patienten und Patientinnen sprachen auf diese Therapie an. Erwartungsgemäss war der therapeutische Erfolg besser, wenn vor der Operation auch ein Ansprechen auf L-Dopa nachzuweisen war. Diese Therapieoption sollte aber durchaus geprüft werden. Zusätzlich sollten unbedingt regelmässige körperliche und sportliche Aktivitäten gefördert werden und Physiotherapie auf neurophysiologischer Grundlage zum Einsatz kommen.
Dr. med. Stefan Hägele, Mai 2021
Meine Parkinson-Symptome begannen fast unmittelbar nach einer Nierenoperation. Könnte die Operation respektive die Narkose für die Entstehung der Krankheit verantwortlich sein?
In der Tat kommt es vor, dass die Parkinsonkrankheit in einem zeitlichen Zusammenhang zu Ereignissen wie einer Narkose, einer Operation oder einer schweren Erkrankung sichtbar wird. In vielen Fällen mag es sich dabei um Zufall handeln. Das heisst, die Krankheit hätte auch ohne Nierenoperation oder Narkose zur gleichen Zeit begonnen. Da es sich bei Pakinson um eine chronisch verlaufende Erkrankung handelt, bei welcher der Krankheitsprozess schon 8ahre vor Symptombeginn startet, sind also Nierenoperation oder Narkose nicht als Ursachen der Krankheit zu bewerten. Gleichwohl ist bei fortgeschrittenen Stadien häufiger zu beobachten, dass es nach einer Narkose oder einer schweren Krankheit zu einer (meist) vorübergehenden Verschlechterung der Parkinsonsymptome kommt.
Mögliche Ursachen sind ein vermehrter Dopaminbedarf unter Belastung oder eine zusätzliche Funktionsstörung bereits geschädigter Nervenzellen. Wenn sich bei einer vorher gesunden Person postoperativ eine Parkinsonkrankheit zeigt, ist es also denkbar, dass es zu einer sogenannten «Demaskierung» von Parkinsonsymptomen gekommen ist und sich die ersten Anzeichen bemerkbar machen.
Prof. Dr. med. Carsten Möller, Rehaklinik Zihlschlacht Stv. Chefarzt Leiter Parkinsonzentrum, März 2024
Meine Schwester, bei der kürzlich Parkinson diagnostiziert wurde, wünscht sich unbedingt Kinder – sie ist erst 28! Ist es denn möglich, trotz Parkinson noch Kinder zu bekommen?
Publizierte wissenschaftliche Erkenntnisse über Parkinson und Schwangerschaft sind nur in geringem Umfang vorhanden. Auch sind die Daten zum Verlauf der Parkinsonkrankheit während der Schwangerschaft limitiert und teilweise widersprüchlich. Zudem fehlen evidenzbasierte Leitlinien zu dieser Thematik. Daher kann die Frage: «Schwangerschaft bei Parkinson, Ja oder Nein?» nur individuell beantwortet werden. Eine gründliche Beratung vor der Schwangerschaft durch den behandelnden Neurologen und – bei Verdacht respektive zur Klärung eines eventuellen familiär erhöhten Parkinsonrisikos – auch durch einen Humangenetiker ist zu empfehlen.
Grundsätzlich schliesst eine Parkinsonerkrankung eine erfolgreiche Schwangerschaft und eine unkomplizierte Geburt aber nicht aus. Auch wenn ich selbst keine eigene Erfahrung in der Betreuung schwangerer Parkinsonpatientinnen habe, sind mir durchaus Berichte einzelner Patientinnen über unkomplizierte Schwangerschaftsverläufe und Geburten nach Manifestation ihrer Parkinsonkrankheit bekannt. Schon aus prinzipiellen pharmakologischen Erwägungen, tierexperimentellen Befunden und aus den wenigen einschlägigen Publikationen (überwiegend Fallberichte) lassen sich aber einige allgemeine Empfehlungen in diesem Zusammenhang geben: Levodopa und Dopaminagonisten können in den hormonellen Stoffwechsel eingreifen und sollten deshalb während einer Schwangerschaft nur sehr zurückhaltend gegeben werden. Besonders im ersten Drittel der Schwangerschaft sollten die Anti-Parkinson-Medikamente nur so niedrig dosiert wie möglich verabreicht werden.
Wenn die Gabe eines L-Dopa-Präparates unerlässlich ist, sollte wegen möglicher knochenmarktoxischer Effekte von Benserazid (in Madopar enthalten) auf den Fötus eher Sinemet gegeben werden. Auch für andere Anti-Parkinson-Medikamente (Amantadin, MAO-Hemmer, COMT-Hemmer) gibt es tierexperimentelle Daten, die auf eine mögliche embryonale Gefährdung hinweisen. Zahlreiche Fallberichte sprechen aber auch dafür, dass komplikationslose Schwangerschaftsverläufe unter oraler dopaminerger Therapie möglich sind.
Dr. med. Helene Lisitchkina (Archiv Parkinson Schweiz, März 2013)
Die Ärzte haben bei meiner Mutter (77) ein Pisa-Syndrom erkannt, nachdem sich ihr Rumpf immer stärker zur Seite neigte. Sie sagen, man könne dagegen nichts tun. Ist das eine Folge von Morbus Parkinson?
Das Pisa-Syndrom ist keine Diagnose, sondern eine (bildliche!) Beschreibung einer Haltungsanomalie, die sich in einer tonischen seitlichen oder nach vorne gerichteten Flexion des Rumpfes äussert. Diese Haltungsanomalie nimmt in vielen Fällen beim Gehen zu und behindert Letzteres stark. Die Ursache ist im Detail nicht bekannt. Aufgrund klinischer Beobachtungen werden aber im Wesentlichen zwei Faktoren diskutiert: Einerseits hirnorganische Krankheiten, insbesondere so genannte neurodegenerative Krankheiten (Parkinson, Alzheimer-Demenz, aber auch andere). Andererseits werden Behandlungen mit bestimmten Medikamenten, vor allem mit so genannten Neuroleptika, aber auch anderen Psychopharmaka, als Ursache vermutet. Risikofaktoren für eine solche Haltungsanomalie sind zudem das weibliche Geschlecht und ein hohes Alter. Die Kombination mehrerer Faktoren (beispielsweise die Diagnose Parkinson im Zusammenspiel mit Medikamenten und hohem Alter) ist natürlich besonders riskant.
Die Behandlung dieses Syndroms ist tatsächlich sehr schwierig und es gibt keine sicher effizienten Massnahmen. Falls Medikamente im Spiel sind, könnte man versuchen, deren Dosis zu reduzieren. Diskutiert werden aber auch Medikamente als Therapie – beispielsweise Anticholinergika. Diese haben aber bei älteren Menschen oft starke Nebenwirkungen.
Um ihre Frage zu beantworten: das Pisa-Syndrom kann eine Folge der Parkinsonkrankheit sein, muss aber nicht. Denn es existieren, wie erwähnt, auch andere oder zusätzliche Ursachen.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Mein Mann (63) hat seit 12 Jahren Parkinson und ist medikamentös gut eingestellt. In letzter Zeit hat er an Körpergrösse verloren und seit Kurzem leidet er an Rückenschmerzen. Eine Röntgenuntersuchung zeigte mehrere angebrochene Brust-Wirbelkörper. Er ist zwar ein paarmal gestürzt. Dennoch stellen wir uns die Frage: Können seine Parkinsonmedikamente (Madopar, Requip-Modutab, Azilect, Comtan) eventuell für Osteoporose verantwortlich sein? Die Knochendichtemessung wird nächstens erfolgen.
Bei Behandlung mit den von Ihnen genannten Medikamenten wie auch mit anderen Parkinsonmedikamenten wurde bisher kein speziell erhöhtes Risiko einer Osteoporose als Nebenwirkung beschrieben. Allerdings wurde dies auch nicht systematisch untersucht. Sehr wohl ist aber bei Patienten mit einer Parkinsonerkrankung ein höheres Risiko von Osteoporose vorhanden, das sich besonders gefährlich auswirkt, wenn Stürze auftreten. So können bereits geringe Traumen zu Knochenbrüchen führen.
Das erhöhte Risiko für Osteoporose wird teilweise auf die geringere Aktivität der Parkinsonpatienten zurückgeführt, durch welche es zu einem Abbau von Knochensubstanz kommt. Ausserdem leiden gerade ältere Menschen, die sich nicht viel an der Sonne aufhalten, unter einem Vitamin-D-Mangel. Vitamin D wird unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung in der Haut gebildet und fördert den Einbau von Calcium in die Knochen und damit die Festigkeit der Knochen. Ein Mangel führt also zu Osteoporose.
Die Einnahme von Vitamin D ist deshalb bei vielen älteren Menschen sinnvoll und bei Parkinsonpatienten häufig notwendig. Möglicherweise spielen auch andere Vitamine im Knochenstoffwechsel eine Rolle. Hier sind unter Einnahme von Parkinsonmedikamenten ebenfalls Mangelzustände beschrieben, weshalb Blutspiegeluntersuchungen sinnvoll sein können. Bei bereits diagnostizierter Osteoporose ist auf jeden Fall eine konsequente Behandlung mit den dafür zugelassenen Medikamenten und Vitamin D sinnvoll. Wenn ein Sturzrisiko besteht, wird prophylaktisch eine entsprechende Physiotherapie empfohlen.
Dr. med. Matthias Oechsner (Archiv Parkinson Schweiz)
Ich fahre bald zur See und nehme folgende Medikamente: Madopar, Stalevo, Trittico, Zoloft, Sifrol. Können Sie mir ein Medikament gegen Seekrankheit nennen, das sich mit meinen Medikamenten verträgt?
Domperidon (Motilium®) ist ein geeignetes Medikament zur Bekämpfung der Beschwerden einer allfälligen «Seekrankheit». Motilium® kann auch mit guter Wirksamkeit gegen Magenbeschwerden (Völlegefühl, Aufstossen, Blähungen) bei der Parkinsonkrankheit – unabhängig von einer Seefahrt – eingesetzt werden. Es ist problemlos mit den anderen Parkinsonmedikamenten kombinierbar. Eine allfällige Nebenwirkung kann Müdigkeit sein. Dies wäre z. B. beim Autofahren zu beachten, stellt auf einer Seefahrt jedoch kein Problem dar.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger, September 2018
Mein Vater (68) war beim Neurologen, weil er öfter gestürzt ist. Der Arzt sagt, er leide an einem «atypischen Parkinsonsyndrom mit Shy-Drager-Symptomatik». Was ist das, und wie unterscheidet es sich vom «normalen» Parkinson?
Stürze im Alter sind häufig und haben viele Ursachen (Störungen von Herz, Kreislauf, Gleichgewichtsorgan [Innenohr], Rückenmark, periphere Nerven und diverse Hirnkrankheiten, z. B. Durchblutungsstörungen). Stürze gehören zum Parkinsonsyndrom im weitesten Sinn.
Unterschieden wird zwischen drei Arten von Parkinsonsyndromen:
Letzteres umfasst diverse Krankheitsbilder, bei denen allen die dopaminergen Neuronen betroffen sind, weshalb eine «Parkinson-ähnliche» Symptomatik besteht. Aber es kommen weitere Beschwerden hinzu. Etwa starke Blutdruckschwankungen mit markantem Blutdruckabfall im Stehen, was zu Stürzen führen kann. Diese und weitere Störungen der Funktion des vegetativen Nervensystems kennzeichnen das Shy-Drager-Syndrom (auch MSA, Multiple System Atrophie) genannt.
Die Natur der Stürze zu klären, ist oft aufwendig und schwierig, aber wichtig, wenn es um die Therapie respektive Prävention geht. Liegt tatsächlich ein atypisches Parkinsonsyndrom vor, ist dessen Therapie meist viel schwieriger und weniger erfolgreich als beim «normalen» idiopathischen Parkinsonsyndrom. Auch die Prognose ist schlechter.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
Meine Mutter (70) hat seit 13 Jahren Parkinson. Ihr Zustand verschlechtert sich zusehends. Sie nimmt etwa alle zwei Stunden Medikamente und ist entweder erschöpft oder hyperaktiv. Aktivitäten sind nicht mehr möglich. Doch eine stationäre Behandlung lehnt sie ab. Könnte die Ärztin nicht einfach eine Spitaleinweisung veranlassen?
Zu Beginn der Parkinsonerkrankung lassen sich die motorischen Symptome in der Regel durch die medikamentöse Therapie gut kontrollieren. Nach einigen Jahren kommt es bei vielen Patienten jedoch zu Wirkungsschwankungen. Mehrmals täglich kann es zu einem Wechsel zwischen Phasen von Bewegungsverlangsamung und guter Beweglichkeit kommen. Der Wechsel erfolgt oft plötzlich, ohne sichere zeitliche Vorhersehbarkeit.
In diesem Krankheitsstadium kann es schwierig sein, die optimale Zusammenstellung der Medikamente zu finden. Es braucht hier besondere Erfahrung und eine genaue Beobachtung der Symptome, was im ambulanten Rahmen manchmal nicht möglich ist. Innerhalb eines stationären Aufenthaltes in einer Parkinsonspezialklinik gibt es die Möglichkeit, die Veränderungen der Symptome engmaschig zu protokollieren. Erst dann ist die optimale Neu-Feineinstellung der Medikamente möglich. Vorteilhaft lassen sich dabei auch die vielfältigen Optionen des interdisziplinären therapeutisch-rehabilitativen Angebots nutzen, auch im Hinblick auf die nicht-motorischen Symptome der Parkinsonkrankheit.
Eine Spitaleinweisung ohne Einverständnis der Patientin ist nicht möglich und auch nicht sinnvoll. Vielleicht können Sie Ihrer Mutter die genannten Zusammenhänge nochmals erläutern, gegebenenfalls auch mithilfe der Hausärztin oder des behandelnden Neurologen.
Dr. med. Helene Lisitchkina, März 2019
Welche Institution können Sie mir für einen stationären Aufenthalt empfehlen? Meine Artikulierungsfähigkeit nimmt ständig ab, ich leide unter starken Depressionen und schlafe sehr kurz. Die Parkinsondiagnose erhielt ich vor 3 Jahren. Ich nehme Madopar.
Bei vielen Parkinsonbetroffenen entwickelt sich im Laufe der Krankheit eine Sprech- oder Stimmstörung, was zu sozialem Rückzug und Depression führen kann. Typische Merkmale können leise Stimme, monotone Sprechmelodie, heiserer Stimmklang, erhöhte Sprechgeschwindigkeit oder insgesamt undeutliche Aussprache mit erschwerter Verständlichkeit sein. Selten kommt es auch zu Wortfindungsproblemen. Die Patienten und Patientinnen selber bemerken die Veränderung ihrer Sprache oft nicht. Parkinsonmedikamente wirken hier meistens nur geringfügig.
Eine gezielte logopädische Stimm- und Sprechtherapie ist nach heutigem Wissensstand die einzige effektive Behandlung, die eine Verbesserung des Sprechens und der Stimme beim Morbus Parkinson bewirken kann. Innerhalb dieser Therapie wird an der Verbesserung der Körperwahrnehmung, Haltung, Atmung, Stimmgebung, Sprechgeschwindigkeit und Artikulation gearbeitet. Als besonders wirksam hat sich dabei die sogenannte LSVT©-Methode (Lee Silverman Voice Treatment) erwiesen. Es handelt sich dabei um ein wissenschaftlich erprobtes systematisches Aufbautraining zur Verbesserung der Sprechverständlichkeit, speziell über das Erhöhen der Stimmlautstärke. Innerhalb des 4-wöchigen LSVT-Programms (täglich eine Therapiestunde an 4 Tagen pro Woche) bekommt der Patient laufende therapeutische Rückmeldung über Lautstärke und Verständlichkeit seiner Stimme. Insbesondere werden dabei auch die «normale» Selbstwahrnehmung für die eigene Stimme und die systematische Übertragung in den Alltag trainiert. Wichtig für einen länger anhaltenden Therapieeffekt ist, dass der Patient auch selbstständig weiter übt. Mit einem Dezibelmesser (für CHF 20.– im Internet erhältlich)
kann der Patient selber die Lautstärke seiner Stimme kontrollieren.
Obwohl einzelne Logopäden die Methode auch ambulant anbieten, kann das Programm in der nötigen Intensität derzeit nur im stationären Rahmen durchgeführt werden. Insofern sollten die Möglichkeiten einer stationär intensivierten Rehabilitation innerhalb einer Parkinsonspezialklinik wie Tschugg, Zihlschlacht oder Rheinfelden genutzt werden.
Insbesondere bei Depression mit Schlafstörung ist auch ein interdisziplinärer therapeutischer Ansatz mit z. B. Psychotherapie und weiteren adjuvanten Therapieverfahren sinnvoll, wie er in einer der genannten Spezialkliniken angeboten wird.
Dr. med. Helene Lisitchkina, März 2019
Mein Mann (69) leidet seit sieben Jahren an Parkinson. Kürzlich hatte er eine starke Erkältung.
Die Parkinsonsymptome schienen mir in dieser Zeit deutlich ausgeprägter. Kann das sein?
Ja, Sie haben sehr gut beobachtet, eine Verschlimmerung der Parkinsonsymptome im Rahmen einer Allgemeinerkrankung (Grippe, Lungenentzündung, schwerer Unfall oder nach grösserer Operation) ist nicht selten. Es gibt verschiedene Erklärungen: Oft nehmen die Patienten wegen allgemeiner Schwäche oder Appetitlosigkeit die Parkinsonmedikamente nicht mehr regelmässig ein. Oder Erbrechen und Durchfall stören die Aufnahme der Medikamente aus dem Magen-Darm-Trakt.
Es ist auch möglich, dass neue zusätzlich eingenommene Medikamente mit den Parkinsonmedikamenten interferieren. Schon nur Fieber alleine führt bei den meisten Krankheiten des Nervensystems zu einer Symptomverschlechterung. Schlussendlich kann auch die grippebedingte Bettlägerigkeit zu einer generellen Reduktion von Beweglichkeit («Trainingsmangel») führen. Aber nach Erholung von allen Grippesymptomen sollte diese passagere Verschlechterung wieder verschwinden.
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger (Archiv Parkinson Schweiz)
In letzter Zeit bin ich im Zusammenhang mit Parkinson öfter über den Begriff «Transkranielle Magnetstimulation» gestolpert. Wie funktioniert diese Therapie und welche Symptome werden damit bei Parkinson behandelt?
Die transkranielle Magnetstimulation (TMS) und die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) sind zwei Formen der nicht invasiven Hirnstimulation (NIHS). Bei dieser werden transkraniell (von aussen durch den Schädel hindurch) gewisse Regionen der schädelnahen Grosshirnrinde stimuliert. Bei der TMS durch ein erzeugtes Magnetfeld, bei der tDCS durch Gleichstrom.
Die NIHS könnte, das zeigen neuere Forschungen, neben der medikamentösen (dopaminergen) Therapie, den nicht medikamentösen Behandlungen (Physio- und Ergotherapie, Logopädie und Neuropsychologie) sowie der invasiven Tiefenhirnstimulation (THS) eine Alternative zur Behandlung motorischer Parkinsonsymptome sein. Vor allem bezüglich der bisher nur schwer kontrollierbaren Symptome, wie z.B. Freezings (Einfrieren beim Gehen), Dyskinesien oder feinmotorische Störungen. Mehrere Studien zur Sicherheit der NIHS sind in klare Empfehlungen für die Anwendung bei Morbus Parkinson gemündet. Die NIHS ist gut verträglich und birgt bei Einhalten der Richtlinien keine besonderen Risiken.
Klinisch wird die TMS derzeit vor allem in der Diagnostik eingesetzt, zur Prüfung sogenannter motorisch evozierter Potenziale (MEP). Die repetitive TMS (rTMS), die mit rasch und regelmässig aufeinanderfolgenden Einzelstimuli arbeitet, erlaubt die Aktivierung respektive Hemmung der Gehirnaktivität. Damit hat sie das Potenzial für die therapeutische Anwendung. Von besonderem Interesse ist die Anwendung der rTMS auf Ebene der motorischen Grosshirnrinde (motorischer Kortex), nicht zuletzt durch die einfache Zugänglichkeit.
Laut einem kürzlich publizierten Übersichtsartikel könnte die rTMS möglicherweise positive Effekte auf die Parkinsonsymptome, vor allem auf die Bradykinese (Verlangsamung), haben. Durch die Anwendung der rTMS sollen die motorischen Symptome kurzfristig (anhaltender Effekt bis zu 3 Monaten) reduziert werden können. Zudem sei eine mögliche antidepressive Wirkung erzeugbar, sofern der dorsolaterale präfrontale Kortex (DLPFC) stimuliert wird. In den USA hat die Food and Drug Administration (FDA) die rTMS für die Therapie von Depressionen zugelassen. Die Effekte scheinen gleich zu sein wie nach Einnahme von Antidepressiva.
Obwohl die Wirksamkeit der NIHS für einige Parkinsonsymptome gegeben scheint, muss erwähnt werden, dass die Implementierung dieser möglichen zusätzlichen Behandlungsmethode in den Kliniken bisher kaum stattgefunden hat. Dies hat sicher damit zu tun, dass die bisherigen experimentellen Ergebnisse noch in grösseren, besser kontrollierten Studien belegt werden müssen. Zudem muss auch die Anwendung der NIHS bei schwer kontrollierbaren Parkinsonsymptomen, etwa Freezings, noch genauer untersucht werden. Und es wäre interessant, zu erforschen, ob eine Kombination von beispielsweise evidenzbasierter physiotherapeutischer Behandlung (Laufband-Training) und NIHS den therapeutischen Effekt auf die Parkinsonsymptome noch zu steigern vermag.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass die NIHS derzeit eine mögliche Alternative zu den bereits etablierten Therapiemethoden bei der Behandlung von motorischen Parkinsonsymptomen bieten könnte. Die bisher gefundenen experimentellen Ergebnisse scheinen vielversprechend. Doch die Effekte müssen noch in besseren, grösseren, kontrollierten, randomisierten Studien bestätigt werden.
Dr. phil. Tim Vanbellingen, September 2015
Mir wurde gesagt, dass gute Zahnhygiene wichtig ist. Ich versuche es ja auch, aber die Handhabung einer Zahnbürste ist jetzt ziemlich schwierig. Gibt es irgendetwas, was helfen würde?
Sie haben recht: Gute Zahnhygiene ist wichtig, denn ein gesunder Mund und starke Zähne tragen zu gutem Aussehen, guter Nahrungsaufnahme sowie einem besseren Körpergefühl bei. Wie bei allen anderen Aktivitäten, die für Sie schwierig oder anstrengend sind, sollten Sie darauf achten, die entsprechende Aktivität während einer Phase guter Beweglichkeit durchzuführen, also dann, wenn Ihre Medikamente gut wirken.
Geknickte Zahnbürsten erleichtern das Erreichen der hinteren Zähne, ein verdickter Haltegriff an der Zahnbürste könnte helfen und manche Patienten finden eine elektrische Zahnbürste sehr nützlich. Ich würde Ihnen auf jeden Fall dazu raten.
Fällt die Handhabung der Zahnseide zur Reinigung der Zahnzwischenräume schwer, greifen Sie zu Zahnzwischenraumbürsten, die Sie auf langstielige Halter setzen, oder benutzen Sie eine Munddusche (erhältlich in Kombination mit der Elektrozahnbürste). Ihr Zahnarzt kann Sie hierzu beraten. Gehen Sie überdies alle sechs bis acht Monate zur zahnärztlichen Kontrolle oder zur Dentalhygiene, um Ihre Zahngesundheit zu erhalten.
Erwähnenswert finde ich noch, dass alle Aufgaben wie Zähneputzen, Rasieren, Haaretrocknen und so weiter (alle durch Hand- und Armbewegungen gesteuert) einfacher und weniger ermüdend sind, wenn Sie Ihren Ellbogen (z. B. auf dem Rand des Waschbeckens) aufstützen können.
Elisabeth Ostler, Parkinson Nurse, Juni 2020
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