Progressive supranukleäre Blickparese (PSP)

Im Gegensatz zum idiopathischen Parkinsonsyndrom (IPS, Parkinsonkrankheit), der am häufigsten auftretenden Form, spricht die PSP nicht auf Medikamente an.

Die progressive supranukleäre Blickparese (PSP) wurde erstmals 1964 von Steele, Richardson und Olszewski beschrieben. Es handelt sich um ein seltenes, atypisches Parkinsonsyndrom (4–6 Prozent), das durch Defizite, die beim idopathischen Parkinsonsyndrom (IPS) nicht auftreten, sowie durch ein zunehmendes Nichtansprechen auf eine Behandlung gekennzeichnet ist. Die PSP entwickelt sich rascher (2–12 Jahre, im Durchschnitt 5–7 Jahre), bricht nicht vor dem 40. bis 50. Altersjahr aus und verursacht stärkere motorische Beschwerden, insbesondere Gang-, Gleichgewichts-, Schluck- und Sprachstörungen.

Das klassische Bild der Erkrankung, das sogenannte Richardson-Syndrom (PSP-RS), beginnt mit Stürzen nach hinten, einer Blickparese (Mona-Lisa-Starren) und zunehmenden Schwierigkeiten, zunächst nach unten, später auch nach oben zu blicken, die Augenlider zu öffnen, beim Anlaufen und die Richtung zu wechseln. Weitere Symptome sind eine zunehmende Verringerung der Stimmlautstärke, Verschlucken, eine Tendenz zum unkontrollierten Lachen und Weinen, eine stark verlangsamte Reaktion auf Stimulierung jeder Art, ein zäher Denkfluss (Bradypsychismus), Apathie, unkontrollierte Wort oder Satzwiederholungen (Perseveration) und Inkontinenz.

Der Blick ist starr, die hochgezogene Stirn kompensiert den erschwerten Blick nach oben (Frontalzeichen). Das Öffnen der Augenlider bereitet Mühe (Blepharospasmus). Im Bereich der Hals- und der proximalen (rumpfnahen) Muskeln ist die Starre besonders ausgeprägt. Ein Zittern ist selten oder nicht vorhanden, die Bewegungen sind schwach, langsam und verzögert. Der Patient erhebt sich raketenartig vom Stuhl (Rocket Sign) und fällt beim Hinsetzen unkontrolliert nach hinten. Der Gang ist durch eine Starthemmung (Freezing) und ein Erstarren beim Richtungswechsel (Magnetismus) gekennzeichnet, wobei Schutzreflexe – insbesondere nach hinten (Zurückziehe) – beim kleinsten Gleichgewichtsverlust fehlen.

Behandlung

Nach Ausbruch der Erkrankung sprechen Patienten zunächst teilweise auf Medikamente an. Das Ansprechen fällt jedoch anschliessend rapide ab. Aus diesem Grund zählt PSP zu den «Orphan Diseases», den seltenen Erkrankungen. Die Physiotherapie hilft, Reflexe zu erhalten und Stürzen vorzubeugen. Allerdings sind schon in einem frühen Stadium ein Rollator für kurze und ein Rollstuhl für längere Strecken erforderlich. Im späten Stadium der Erkrankung muss häufig eine PEG-Sonde gelegt werden, mit der ein Grossteil der Nahrung direkt in den Magen geleitet wird. Die Injektion von Botulinumtoxin in die Augenlider kann ein Offenhalten der Augen erleichtern.

 

Varianten der PSP

Es gibt einige seltene Varianten der PSP, die isoliert auftreten in den Bereichen Sprachproduktion (PSP-PNFA), Starthemmung (PSP-F), Haltungsinstabilität (PSP-I), Bewegungsschwäche (reine Akinesie, PSP-PA), Verhalten (PSP DFT bv), Ataxie (PSP-C), Augenbewegungen (PSP-OM) oder Spastizität (PSP[1]PLS). Manchmal ist eine PSP assoziiert mit einem kortikobasalen Syndrom (PSP-CBS).

Bei der klassischen Variante sind bei der Magnetresonanztomographie (MRI) eine Atrophie des Mittelhirns (Mickey-Mouse[1]und Kolibri-Zeichen) sowie des oberen Kleinhirnstiels erkennbar. Unter dem Mikroskop und bei der Tau-PET kann eine Ansammlung des phosphorylierten 4R-Tau-Proteins (selten auch anderer Proteine) in bestimmten Neuronen des Hirnstamms, der Basalganglien und des frontalen Kortex beobachtet werden.

Autor: Prof. Dr. med. Joseph-André Ghika, 2018

Autor

Prof. Dr. med. Joseph-André Ghika

Leitender Arzt der Abteilung für Neurologie am Spital Wallis und Vorstandsmitglied des Fachlichen Beirats von Parkinson Schweiz

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