Die Multisystematrophie (MSA) weist neben Parkinson-ähnlichen Symptomen zusätzliche Beschwerden auf. Dies aufgrund einer Funktionsstörung der zentralen motorischen Bahnen (im Hirn und Rückenmark) in variabler Kombination sowie des Kleinhirns (Zerebellum) und des vegetativen (autonomen) Nervensystems.
Je nach vorherrschender Symptomatik unterscheidet man den Parkinson-Subtyp, den zerebellären Subtyp oder den autonomen Subtyp. Die klinischen Symptome zu Beginn können sehr verschieden sein, was die Diagnose stark erschwert. Betroffen sein können Herz, Magen-Darm-Trakt, Harnblase, das Sprechen und Schlucken oder die Atmung und der Schlaf.
Die Krankheit beginnt nach 50 mit einer Häufigkeit von etwa vier pro 100'000 Personen. Die MSA hat eine schlechtere Prognose als das idiopathische Parkinsonsyndrom (iPS): ein schnelleres Fortschreiten der Krankheit, schlechtere Therapieaussichten und eine Lebenserwartung von sechs bis zehn Jahren nach Symptombeginn.
In der Regel gibt es keine familiäre Häufung, d. h., die MSA gilt als sogenannt sporadische Krankheit. Die MSA hat eine spezielle pathologische Eigenheit: Es finden sich Einschlusskörperchen aus einem fehlerhaft gefalteten Protein (L-Synuclein) in den Stützgewebezellen des Gehirns – also nicht in den Nervenzellen wie beim iPS.
Therapeutisch kann einzig versucht werden, die Symptome zu lindern. Es gibt keine Möglichkeit, das Fortschreiten der Krankheit zu verlangsamen. Eine überaktive Harnblase kann mit Medikamenten oder einer Botox-Injektion «gebremst» oder mit einem Kathedersystem kontrolliert werden. Gegen den starken Blutdruckabfall im Sitzen oder Stehen helfen etwa eine reichliche Flüssigkeitszufuhr schon frühmorgens oder Medikamente, tagsüber Stützstrümpfe und nachts Schlafen mit erhöhtem Oberkörper. Nächtliche Atem- und Schluckstörungen mit Ernährungsschwierigkeiten können mit mobilen Atemunterstützgeräten nachts oder einer speziellen Zusammensetzung und Konsistenz der Nahrung behandelt werden, oder mit einer Magensonde.
Klinisch stehen beim Parkinson-Subtyp die Verlangsamung der Bewegungsabläufe, ein erhöhter Muskeltonus (Rigor) und eine Sturztendenz im Vordergrund. Ein Tremor ist selten, und wenn schon, dann ein unregelmässiger Halte- und Zieltremor. Ein wichtiges Charakteristikum ist, dass – im Gegensatz zum iPS – diese Symptome wenig und nur vorübergehend oder gar nicht auf eine Therapie mit Levodopa ansprechen.
Beim zerbellären Subtyp stehen ein unsicherer, breitbasiger Gang, unkoordinierte Bewegungen der Extremitäten, Augenbewegungsstörungen und ein Zieltremor im Vordergrund (diese Symptome sind beim Parkinsonsubtyp auch zu beobachten, aber leichter).
Die das vegetative Nervensystem betreffenden Symptome sind für den Patienten am störendsten und für den Arzt am schwierigsten zu behandeln: Störungen von Sexualfunktion und Harnblase (vermehrter Harndrang, Inkontinenz – auch nachts); starker Blutdruckabfall im Stehen mit Bewusstseinsverlust; Atemstörungen mit Kollaps der Luftwege bei Einatmung, stärker ausgeprägt nachts, mit Erstickungsgefahr; schwere Verstopfung. Diese Symptome können bei allen MSA-Patienten vorhanden sein, sind beim autonomen Subtyp aber dominierend.
Autor: Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger, 2018
Prof. Dr. med. Mathias Sturzenegger
Mitglied Vorstand und Fachlicher Beirat von Parkinson Schweiz
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